Montag, 29.05.2023

Barrierefreie Gastfreundschaft

Barrierefreiheit ist im Restaurant Theater Casino Zug normal. Warum Inklusion im Betrieb historisch verwurzelt ist, wie sie gepflegt wird und warum sie für die Gastronomie zentral ist, erklärt Gastgeber Niculin Peter (34).

Niculin Peter, das Theater Casino Zug und das Restaurant, das Sie leiten, gelten als Vorzeigebetrieb für Barrierefreiheit. Was bedeutet das konkret?

Ein zentraler Aspekt der Barrierefreiheit ist die hindernisfreie Architektur, im Falle des Theater Casino Zug wurde diese schon bei der Planung des Erweiterungsbaus 1982 und beim Restaurantumbau 2010 berücksichtigt. Somit sind heute sowohl die Zugänglichkeit zum Theatersaal im Untergeschoss als auch zum Restaurant im Mittelgeschoss sichergestellt. Wir verdanken es der weitsichtigen Initiative von damals, dass der Betrieb als städtisch gestütztes Kulturhaus von Anfang an für alle offen sein sollte. Andere Beispiele für die Barrierefreiheit sind breite Türrahmen für Menschen mit Rollstuhl oder Gehhilfen, eine hindernisfreie Toilette und natürlich ein Lift respektive eine Rampe. Barrierefreiheit bedeutet aber noch viel mehr, etwa, dass die entsprechenden Angaben zur Zugänglichkeit im Internet auffindbar sind. Oder dass unsere Mitarbeitenden Personen, die eine Behinderung haben könnten, begrüssen und dann herausfinden, wie man sie am besten unterstützen kann.

«Für alle Gäste da zu sein, ist für mich selbstverständlich»

 

Wie schulen Sie Ihr Personal darin, Gästen mit Behinderung einen guten Service zu bieten?

Für mich als Gastgeber ist es schlicht selbstverständlich, für alle Gäste da zu sein. Diese Kultur wird in unserem Betrieb vorgelebt, neue Mitarbeitende lernen den sensiblen und aufmerksamen Service schon früh. Wir profitieren aber auch davon, dass im Theater, das im gleichen Haus ist, Gästebetreuer und -betreuerinnen arbeiten, die teilweise Schulungen zum Umgang mit Personen mit Behinderung absolviert haben und so noch zusätzlich Hand bieten können. Der offene und sorgfältige Umgang wird bei uns übrigens auch intern im Team gelebt und von allen sehr geschätzt.

«Diese Kultur wird bei uns im Betrieb vorgelebt.»

 

Manche Restaurants haben kein ausgebildetes Personal und auch keine hindernisfreie Architektur. Was empfehlen Sie Betrieben, die dennoch einen ersten Schritt Richtung Barrierefreiheit tun wollen?

Die Gäste aufmerksam begrüssen und einen sensiblen Service bieten. Fragen, ob und wie man behilflich sein kann, und proaktiv mitdenken: Zum Beispiel, indem man einer Person mit Sehbehinderung anbietet, die Karte vorzulesen. Nicht umsonst ist die Gastronomie ein Business, in dem Menschen im Fokus stehen. Wir erhalten täglich positive Rückmeldungen unserer Gäste, die uns bestärken.

 

Wer gehört zu Ihren Gästen?

Alle! Das ist eben das Schöne an unserem Betrieb. Häufig geht vergessen, dass man mit Barrieren in einem Betrieb eben nicht nur die betroffene Person, sondern auch ihre Begleitpersonen und Angehörigen ausschliesst. Bei uns reservieren oft grosse Familien, in denen die ältere Generation nicht mehr so gut zu Fuss ist. Aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Alters- und Pflegeheims nebenan sind gerne bei uns zu Gast. Und natürlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Veranstaltungen. Diese sind übrigens ebenfalls barrierefrei: Menschen mit Hörgeräten beispielsweise können in unserem Veranstaltungssaal die stationäre induktive Höranlage nutzen, die dank entsprechender Technik ein optimales Hörerlebnis bietet.

 

Wie schätzen Sie die Fortschritte in der Barrierefreiheit in der Schweizer Gastronomie ein?

Das ist schwierig zu sagen. Ich sass vor einiger Zeit kurz selbst im Rollstuhl, da ich einen Unfall gehabt hatte. Ich war natürlich weniger geschickt unterwegs als Menschen, die ihr Leben lang auf den Rollstuhl angewiesen sind. Aufgrund meiner eigenen Erfahrung würde ich sagen: Die Schweiz leistet sehr viel, aber es gibt Luft nach oben. Für eine wirklich repräsentative Antwort müssten wir aber eine betroffene Person fragen.

 

Barrierefreiheit

«Barrierefrei» bezeichnet Veranstaltungen, Gebäude, Dienstleistungen oder Produkte, die von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten genutzt werden können. In Bezug auf die Gastronomie und Hotellerie gibt es verschiedene Arten von Barrieren: Treppen und schmale Türen (Mobilitätsbarrieren), gedruckte Menukarten (visuelle Barriere), Tischreservation per Telefon (auditive Barriere) oder Mitarbeitende, die keine Erfahrung im Umgang mit Gästen mit Behinderung haben (betriebliche Barrieren), sind nur einige Beispiele.

  • HotellerieSuisse hat mit Partnern wie der Stiftung Claire & George und Pro Infirmis einen Leitfaden erstellt, der Betriebe auf Barrierefreiheit in der Hospitality Branche sensibilisiert. Der Leitfaden steht zur Verfügung unter hotelleriesuisse.ch.

  • In diesem Jahr startet die Stiftung Claire & George zudem das Projekt «Accessible Switzerland Tour» mit Schweiz Tourismus, welches das barrierefreie Ferienland Schweiz in den Fokus rücken soll. Mehr Informationen und die Anmeldung als Betrieb auf claireundgeorge.ch

 

Text: Simone Knittel
Foto: Christoph Kaminski