Montag, 24.10.2022

Der Hexer aus dem Entlebuch

Stefan Wiesner wurde bekannt als der Hexer aus dem Entlebuch. Die Naturküche und seine Art zu kochen haben ihm zunächst viel Unverständnis eingebracht – aber später viel Applaus und Anerkennung. Er selbst sieht sich als Philosoph.

Begonnen hat es mit dem Kochen für Stefan Wiesner, als sein Vater 1989 in Frühpension ging und ihm das Restaurant Rössli in Escholzmatt LU überliess. «Mit aller Last», sagt er. Der damals 27-Jährige machte kurzerhand eine Ausbildung zum Koch und seine Frau lernte zunächst Köchin und dann den Service. «Wir hatten sehr lange sehr wenig Geld und eigentlich mehr aus der Not heraus haben wir uns an dem bedient, was die Natur offeriert», erzählt er. Das war der Beginn seiner Naturküche. Essen ist für ihn wertvoll. Mehr noch: «Die Natur steckt im Essen drin. » Aber das reichte Stefan Wiesner nicht. Fasziniert vom Gedanken, was ein Koch mit Essen bewirken kann – Freude oder Trauer auslösen, Wärme oder Kühle erzeugen, den Menschen präventiv gesund zu halten oder zu machen und vieles mehr –, beschäftigte sich der Hexer aus dem Entlebuch damit, was verschiedene Kochtechniken bewirken können. So beeinflussen gemahlene Steine die Textur des Essens und damit die Sensorik. Sie können auch Heilkräfte besitzen. Seine Grundsätze sind dabei klar: kein Foodwaste, sondern Nose-to-Tail und auch alle essbaren Pflanzenteile sollen verwendet werden. «Es muss bewusst gekocht werden, damit es in die Zukunft gehen kann», sagt Wiesner. «Essen ist heutzutage generell zu billig. Wasser kostet mehr als Milch. » Aber selbst bei ihm gibt es Grenzen: «Beispielsweise Ameisen einzufrieren und sie dann zu essen, geht für mich gar nicht. » Irgendwann hat der Kochkünstler begonnen, Kunst in seine Gerichte einzubauen. Viele Ideen kommen aus Musik, Literatur, Architektur, Mythologie, Mystik oder Alchemie; er ist für alles offen, um gutes Essen zuzubereiten. Seine Menüs handeln von der Magie der Bäume, Alexander Nikolajewitsch Skrjabins «Klaviatur der Farbe im mystischen Akkord» und jetzt Patrick Süskinds Roman «Das Parfum». All sein Wissen hat Stefan Wiesner in seinem Wissensschlüssel zusammengefasst, der Grundlage seines Schaffens ist. Der Besuch in seinem Restaurant soll den Gästen in Erinnerung bleiben: Die Speisekarte, das Service-Personal, die Inneneinrichtung, alles ist Stefan Wiesner wichtig und natürlich seine ausgefallenen Menüs. Und wie geht er dabei vor? «Ich mache mir Zeichnungen und Notizen und gebe die Zutaten vor, wie etwa ein confiertes Reh mit Wildleder. » Dann macht er sich gemeinsam mit seinen Köchen an die Arbeit. Dazu werden alte Rezepte als Vorlagen benutzt, aber auch moderne Techniken kommen zum Einsatz. Es bedarf vieler Versuche, bis das Ergebnis für ihn stimmt. Corona war eine schwere Zeit, wie für die meisten in der Branche. «Man muss positiv in die Zukunft schauen», meint Wiesner. «Wenn sich jemand darauf konzentriert, was er beziehungsweise sie am besten kann und sich selbst treu bleibt, dann kommt es schon gut. » Er selbst möchte, dass das Gastgewerbe – als das älteste Gewerbe – auch als Kultur anerkannt wird. Als Dozent für Essen an der Fachhochschule Basel ist er bestrebt, jungen Menschen mit der Kunst die Naturküche näher zu bringen. Wie zufrieden sind seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihm? «Am Mittwoch haben die Köche Produktionstag und da arbeiten wir durch. Im Service haben wir bereits eine 4-Tage-Woche, das wollen wir auch noch für die Köche umsetzen können», erklärt er. Und was gibt es Neues beim Hexer? Eigentlich wollte Stefan Wiesner bald mit seinem Projekt im ehemaligen Kurhaus Heiligkreuz in Hasle LU beginnen: Dort soll es unter anderem mehrere Restaurants, Zimmer, seine Natur-Akademie und seine Wurstwerkstatt geben und auch Platz für Hühner und Bienen haben. Dafür hatte er schon sein Haus verkauft, als ihm Ende Juli sein Investor mitteilte, dass er eine Pause einlegen wolle. Ein herber Schlag für den vor Ideen sprühenden Mann. Er habe schon so viele Ideen im Leben gehabt, aus denen zunächst nicht immer etwas geworden sei. Und er zeigt sich auch jetzt wieder zuversichtlich: «Ich bin guter Dinge, dass mein Traum doch noch stattfinden wird und ich mein Wissen weitergeben kann. Wir haben es noch jedes Mal wieder geschafft. »

 

Stefan Wiesner

Alter: 61 Jahre

Familie: Frau Monica (55), Tochter Amy (27) und Sohn Jo (25)

Lieblingsessen: Belgische Fritten, im Rinderfett gebacken, mit hausgemachter Mayonnaise

Hobby: Mit seinem Hund Levi, einem Lagotto, Trüffel suchen