Montag, 06.02.2023

Einsatz für die Gastro-Lehre

Die Stiftung «Mercato» in Aarberg BE steht für die berufliche und soziale (Re-)Integration von Menschen. Geschäftsleiter Marcel Wyss über das Ausbildungsangebot der Stiftung und Wertschätzung in der Gastronomie.

Was genau macht die Stiftung Mercato in Aarbeg?

Wir bieten Ausbildungs- und Arbeitseinsätze für Menschen an, die sich in oder nach einer kritischen Lebensphase befinden – beispielsweise Therapieaufenthalte, Phasen psychosozialer Krisen oder längere Arbeitslosigkeit. Dabei sorgt die Stiftung mit ihrer Zweckbestimmung für eine intensive Unterstützung und leistet mit Ausbildungsbegleitungen einen wichtigen Beitrag zur individuellen Stabilisierung und zu Verbesserung der Chance, ein eigenständiges und von der Sozialhilfe unabhängiges Leben führen zu können. Migrantinnen und Migranten, die eine berufliche Einstiegsmöglichkeit benötigen, bereichern und ergänzen das Team der Lernenden.

 

Was lernen diese Menschen bei Ihnen?

Mit einer erfolgreich absolvierten Lehre hat man einen wichtigen Schritt im jungen Berufsleben gemacht. Einige bleiben in der Gastronomie oder können dank dem Abschluss neue Wege gehen. So bieten wir zusätzlich zu den «normalen» EBA- und EFZ-Ausbildungen professionelle Einblicke in die mediterrane und italienische Kochkunst und Kultur an, denn wir führen neben dem Restaurant einen Spezialitätenladen mit hausgemachten Produkten und einem auserlesenen Weinsortiment.

«Es muss nicht jeder ein Küchenchef sein»

 

Und wie vielen Personen konnten Sie schon helfen?

Bis heute profitierten weit über 200 jüngere und ältere Menschen vom nun seit zwanzig Jahren bestehenden Rehabilitationsangebot des «Mercato», um erfolgreiche Schritte in ihrem beruflichen Werdegang machen zu können. In den vergangenen sechs Jahren haben 65 Jugendliche und Erwachsene zwischen 16 und 57 Jahren ein Arbeitstraining und mehr als die Hälfte davon eine Ausbildung als Lernende in der Küche, der Pizzastation oder im Service und Laden absolvieren können. Mehr als 80 Prozent von ihnen haben die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Aktuell unterstützen wir in der Küche drei Lernende in ihrem ersten Lehrjahr der EBA-Ausbildung, im Service zwei in ihrem zweiten EFZ-Lehrjahr, zwei Lernende bei ihrem Pizzaiolo-Lehrgang und drei weitere beim Arbeitstraining.

 

Wie sehen Sie den Commis? Wird seine Funktion in der Küche unterschätzt?

Als gelernter Koch habe ich selbst als Commis sowie als Verantwortlicher in der Küche gearbeitet. Ohne motivierte Menschen, die Freude am Beruf haben und die täglich wichtigen Arbeiten erledigen, wären Qualität und Gastfreundschaft nicht möglich. Es muss nicht jeder Küchenchef sein und zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Leider aber erfahren der Kochberuf und somit auch der Commis viel zu wenig Wertschätzung. Unter Stress und Hitze mit frischen Produkten zu arbeiten, ist eine oft unterschätzte Aufgabe, welche Koordination, Geschmackssinn, Gefühl, Geschwindigkeit, Kommunikation und Organisationgeschick voraussetzen. Ich persönlich habe grosse Achtung vor Berufsleuten, die diese teilweise unterbezahlte Arbeit täglich verrichten und unter Umständen auch noch mit Zimmerstunde arbeiten müssen.

 

Wie kann man die Wertschätzung steigern?

Die hohen Ansprüche der Gäste – etliche Ernährungsformen und Diäten und nicht zuletzt der Einfluss des Internets – machen den Kochberuf oft nicht einfach. In unserer Gesellschaft ist ein Grossteil der Menschen verwöhnt und fordert teilweise enorm viel. Wir müssen bereit sein, für qualitativ gutes Handwerk einen entsprechenden Preis zu bezahlen, nur dann können gute Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Und wir müssen lernen, solides Handwerk zu schätzen.

«Mit Freude und Begeisterung für Kulinarik steht einem die Welt offen.»

 

Haben Sie einen besonderen Wunsch an Ihre Lernenden?

Mut für das Leben: Aus Fehlern lernt man, und wer keine Fehler macht, lernt wohl auch nicht viel. Die Gastronomie bietet gute Ausbildungen, die enorm vielseitig und kreativ sind. Mit Freude und Begeisterung für Kulinarik steht einem die Welt offen.

 

Und was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Ich liebe Italien, feines Essen und guten Wein. Es ist toll, wenn wir als Stiftung jungen Menschen und unseren Gästen durch laufend neue Kreationen ein wenig zu einem «Bella Vita» beitragen können. Was will man mehr?

 

MARCEL WYSS

Alter: 44 Jahre
Lieblingsessen: Qualitativ gute Spaghetti mit viel Knoblauch, kalabrischem Olivenöl und Chili
Hobbys: Italien, Kräuter und Gewürze, Natur und Bewegung, Musik und Kultur, Kochen und meine Familie

 

Mehr erfahren unter mercatoaarberg.ch

 

Text: Petra Mürschel-Evans
Foto: Stöh Grünig