Montag, 09.01.2023

Neue Energie aus alten Speisen

Werner Humbel (58) ist Geschäftsführer der Firma Recycling Energie in Nesselnbach AG. Er weiss, wohin mit den Speiseabfällen und was sich aus ihnen noch machen lässt.

Rüstabfälle, Früchteschalen, Kaffeesatz, Brotreste, Pflanzenteile, Fischhäute, Milchprodukte, Eierschalen und auch die Reste der Speisen – die Firma Recycling Energie sammelt alle organischen Abfälle, die in Restaurant-Küchen anfallen beziehungsweise auf den Tellern der Gäste liegengeblieben sind.

Seit 2011 ist die Verfütterung von Speiseabfällen an Schweine verboten und jeder Gastro-Betrieb muss diese daher einem Recycling-Unternehmen übergeben. Die Wahl des Unternehmens bleibt dabei dem Gastronomen überlassen und ein Transport über die Kantonsgrenze hinweg in den Nachbarkanton ist erlaubt: Die Grund-Bestimmungen sind überall gleich. Für Werner Humbel, Geschäftsführer der Recycling Energie AG, ist jedoch klar: «Mehr als 50 Kilometer machen ökologisch gesehen keinen Sinn.» In diesem Umkreis findet sich mehr als genug «Material», denn: «Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung leben in unserem Einzugsgebiet und gehen gerne essen.»

So sind seine Mitarbeitenden täglich unterwegs und sammeln rund 800 Container mit Speiseabfällen – das sind insgesamt etwa 150 Tonnen pro Tag – bei den Gastro-Betrieben ein. Die Behälter mit 120 oder 240 Litern Inhalt werden durch frische ersetzt, bei der Recycling Energie AG entleert und in der firmeneigenen Waschanlage gereinigt. Restaurants mit mehr als 300 Mahlzeiten pro Tag müssen einen Fettabscheider im Einsatz haben und können durch den Gastro-Saugliner – ähnlich einem Kanalreinigungs-Lastwagen – bedient werden, mit bis zu 18 Tonnen Kapazität. Der Saugliner entfernt die Speiseabfälle aus den zwei bis drei Kubikmeter grossen Tanklagern der Gastronomie-Betriebe und sorgt mit einer extra konzipierten Geruchsneutralisierungsanlage dafür, dass Übelriechendes sich nicht weiter entfalten kann. Alle gesammelten Speiseabfälle werden ebenso wie Frittieröl der Biogasanlage zugeführt.

«Ein Drittel unserer Kundinnen und Kunden sind Lebensmittelhersteller, ein weiteres Drittel Gastro-Betriebe und das letzte Drittel ist der Detailhandel, denn in all diesen Branchen fallen Speiseabfälle an», erklärt Humbel. Die Entsorgungswege sind allerdings verschieden: Während im Detailhandel Lebensmittel in Plastik, als Tetrapak, Tuben, Konserven oder anderen Verpackungen anfallen, die alle sorgfältig entfernt werden müssen, dürfen es aus der Gastronomie nur Speisereste sein. «In unserer firmeneigenen Anlage machen wir daraus Biogas, das CO2-neutral ist und als nicht-fossiler Erdgasersatz die Stadt Baden mitversorgt», erklärt der Unternehmer. «Dank den modernen Technologien können wir aus Speiseabfällen Neues schaffen. Aus ihnen wird ausser Ökostrom unter anderem auch Naturdünger hergestellt und so entsteht letztendlich aus jedem Rüebli gewissermassen wieder ein Rüebli.»

Sieht er sich und seine Firma als Pionier in der Schweiz? Werner Humbel überlegt und sagt dann: «Vielleicht wegen unserer Grösse und weil wir weltweit die erste kommerzielle CO2-Verflüssigungsanlage in Betrieb genommen haben. » Man darf gespannt sein, welche Innovationen ihm in der Zukunft noch einfallen werden.


«Letztendlich wird aus jedem Rüebli wieder ein Rüebli»

 

Die Recycling Energie Nesselnbach AG

  • 1968 gründet Otto Humbel senior einen Schweinemast-Betrieb

  • 1970 erhält er die Bewilligung zum Einsammeln von Speiseresten

  • 1981 steigen die beiden Söhne Otto junior und Werner ein

  • 2002 baut Werner Humbel eine Aufbereitungsanlage für Speisereste. Es wird Biodiesel produziert

  • 2009 Gründung der Recycling Energie AG und zwei Jahre später Inbetriebnahme der Biogasanlage, der grössten und modernsten der Schweiz. Neben Biogas und Biodiesel werden auch Ökostrom, Fernwärme und Naturdünger produziert

  • 2011 tritt das Verbot Speisereste an Schweine zu verfüttern in Kraft

  • Bis zum zehnjährigen Jubiläum werden verschiedene Anschaffungen getätigt, die eine bessere Bedienung der Kunden und den Ausbau der Firma und ihre Technologien vorantreiben

  • 2022 geht bei der Recycling Energie Nesselnbach AG die grösste kommerzielle CO₂-Verflüssigungsanlage der Welt in Betrieb

 

mehr erfahren unter recycling-energie.ch

 

Text: Petra Mürschel-Evans
Foto: zVg