Montag, 22.05.2023

Online-Bewertungen: Chancen oder Fallstrick?

Verstecken kann sich ein Gastro-Unternehmen heute nicht mehr: Über Plattformen wie Google werden die Leistungen jedes Betriebes bewertet – ob man will oder nicht. Warum das für ein Betrieb aber vor allem Vorteile bietet, weiss Alexander Zaugg, der Gründer von re:spondelligent.

Wir sitzen in einem Restaurant, das auf Google Reviews eine Spitzenbewertung von 4.9 von 5 Punkten hat. Was macht dieser Betrieb richtig?

Ich sage es so: Das Restaurant versteht sein Kerngeschäft. Das ist wichtig, denn die Qualität von Essen, Service und Ambiente muss stimmen, sonst nützen alle anderen Anstrengungen für eine positive Bewertung nichts.

«Die Gäste sind grundsätzlich positiv eingestellt»

 

Wie kriege ich denn meine Gäste dazu, meinen Betrieb zu bewerten?

Gäste in der Gastronomie, in der Schweiz aber auch international, sind grundsätzlich sehr bewertungsfreudig. Das zeigen Studien, die wir mit Hilfe unserer eigenen Daten bei re:spondelligent machen. In keiner anderen Branche wird so fleissig bewertet. Das muss man sich zunutze machen, zum Beispiel, indem man nach dem Essen bei den Gästen nachfasst, persönlich oder elektronisch, wie es ihnen denn geschmeckt hat und sie bittet, eine Bewertung zu schreiben.

 

Was kann ich unternehmen, wenn jemand eine schlechte Bewertung schreibt?

Grundsätzlich sind Gäste sehr positiv eingestellt und schreiben gerne gute Bewertungen, aber es gibt natürlich immer Ausnahmen. Betriebe, die mittels Antwortfunktion zurückschreiben und für einen Fehler Verantwortung übernehmen, wirken kompetent. Eine schlechte Bewertung ist als Chance für den Betrieb zu verstehen, vorausgesetzt natürlich, dass die Kritik auch berechtigt ist. Ist die Bewertung ehrverletzend oder hat inhaltlich nichts mit dem Restaurant zu tun, kann man deren Löschung beantragen. Das braucht allerdings etwas Geduld.

 

Gibt es Restaurants, die ihre guten Bewertungen kaufen?

Das gibt es sicherlich, allerdings ist das gar nicht so einfach und mir persönlich sind auch keine solche Fälle bekannt. Plattformen wie Google oder Facebook haben ein grosses Interesse daran, dass reale Nutzerinnen und Nutzer echte Bewertungen schreiben. Daher werden Fake-Bewertungen oft wieder gelöscht.

 

Sollte ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bitten, eine gute Bewertung zu schreiben?

Auf keinen Fall! Erstens ist das auf den Bewertungsportalen grundsätzlich nicht erlaubt. Und zweitens riskieren Sie bei Gästen einen Rufschaden, die den falschen Bewertungen auf die Schliche kommen.

 

Welche Plattformen sind aktuell besonders angesagt?

Google ist mittlerweile die wichtigste Plattform für die Gastronomie, vor allem in der Schweiz. Tripadvisor hat an Einfluss verloren, wird aber von internationalen Gästen weiterhin viel genutzt. Für die Hotellerie ist zusätzlich Booking.com zentral. Für beide Branchen ist auch Facebook nicht zu vernachlässigen. Mit den verschiedenen Plattformen sehen sich Unternehmen aber oft vor neue Herausforderungen gestellt: Was bedeutet es konkret, wenn ich auf Google eine Bewertung von 4.2 von 5 Punkten habe, auf Facebook aber eine 3.7 von 5? Was ist gut, was nicht? Und was macht die Konkurrenz? Man muss diese Zahlen auch in Relation setzen, denn für sich alleine sind sie nicht wirklich aussagekräftig.

«Google ist mittlerweile die wichtigste Plattform.»

 

Eine Bewertung von 4.9 Punkten, wie anfangs erwähnt, scheint schon fast zu gut, um wahr zu sein. Gibt es einen idealen Wert für Bewertungen?

Den gibt es tatsächlich. Untersuchungen zufolge wirken Bewertungen zwischen 4.3 und 4.7 von 5 möglichen Punkten am glaubwürdigsten. Zu gute Bewertungen können auch misstrauisch machen. Daran sieht man: Es ist durchaus Verständnis vorhanden für kleine Fehler.

 

Welche Art von Gästen ist besonders bewertungsfreudig?

Bezüglich Alter oder Geschlecht kann ich dazu nichts sagen, denn diese Daten erheben wir nicht. Aber grundsätzlich sind Touristinnen und Touristen sehr bewertungsfreudig, ganz im Gegensatz beispielsweise zu Stammgästen.

 

Gibt es Personen, die Betrieben mit schlechten Bewertungen drohen?

Ab und zu habe ich solche Geschichten gehört, aber sie sind zum Glück selten. Die Motivation für den Grossteil der Bewertenden ist, dass sie dem Betrieb Feedback geben und anderen Gästen Orientierung bieten möchten. Sie sind also durchaus positiv motiviert.

 

Sie sammeln dank der Analyse von Bewertungen riesige Datenmengen. Wofür können Sie diese zukünftig nutzen?

Der Trend geht Richtung «Predictive Marketing». Ich kann beispielsweise einen Algorithmus nutzen, der mir sagt, dass meine Gäste meine Terrasse vorwiegend ab Mai nutzen und wann der ideale Moment ist, die Öffnung zu veranlassen und online zu kommunizieren. Die Software kann mir den Zeitpunkt aufgrund meiner Daten, kombiniert mit dem Wetterbericht, perfekt berechnen.

 

ALEXANDER ZAUGG

Alter: 40
Auswärts esse ich: Alles, was ich zu Hause nicht so gut hinkriege, zum Beispiel Pizza.
Das gibt fünf Sterne: Restaurants, die trotz des Fachkräftemangels einen tollen Service bieten.
Das gibt einen Stern: Lange auf die Rechnung warten müssen – aber ich bewerte grundsätzlich eher gut als schlecht.


Clevere Software für die digitale Zukunft

Das Unternehmen re:spondelligent aus der Zentralschweiz bietet verschiedene Dienstleistungen und Lösungen mit Fokus Gastronomie und Hotellerie für den Umgang mit Rezensionen im Internet an. Beispielsweise erleichtert eine Software das Anfragen von Rezensionen, was zu mehr Bewertungen führt, welche wiederum dank personalisierten Programmen schnell und persönlich beantwortet werden können. Die Software wertet auf Wunsch alle Rückmeldungen nach gewünschten Parametern aus, sodass ein Betrieb sein Angebot entsprechend anpassen oder ausbauen kann, was wiederum zu einem höheren Rating und einer besseren Platzierung in der Google-Suche führen kann. Betriebe können die Leistungen von re:spondelligent nicht nur zur schnellen Abwicklung von Rezensionen, sondern vor allem auch zu Marktforschungs-und Marketingzwecken nutzen.

 

Text: Simone Knittel
Foto: Nora Dal Cero