Montag, 31.10.2022

So fermentiert der Profi

Michael Podvinec ist Molekularbiologe und bezeichnet sich selbst als den «Nerd am Herd». Er geht gerne den Dingen auf den Grund, wie hier beim Fermentieren.

Fermentation prägt unsere Esskultur seit Jahrtausenden. Täglich essen wir Fermentiertes: Milchprodukte, Sauerkraut, Wurstwaren, Kakao, Vanille, Brot, Sojasauce und vieles mehr. Dabei werden Lebensmittel gezielt durch erwünschte Mikroorganismen umgewandelt. Dank der Zersetzung durch Bakterien und Pilze entstehen durch die Abbauprodukte neue Geschmackskomponenten. Diese können oft herzhaft-fleischig wirken; bei der milchsauren Fermentation auch mit sauren und leicht alkoholischen Noten. Besonders in der pflanzlichen Küche ist die Geschmackstiefe oft eine Herausforderung. Da ist Fermentation eine Geheimwaffe. Gerade Gemüse ist ein idealer Einstieg, denn das Fermentieren von Fleisch und Fisch ist eher heikel: Sie enthalten relativ wenig Kohlenhydrate, die das Wachstum von Milchsäurebakterien erleichtern und so besteht das Risiko, dass schädliche Organismen das Lebensmittel verderben. Das kann gefährlich werden! Die Industrie arbeitet steril und mit Reinkulturen. In der eigenen Küche nutzt man aber Mikroorganismen, die bereits auf den Lebensmitteln vorhanden sind. Wählt man die Umweltbedingungen wie Säure- und Salzgehalt, Luft oder Luftabschluss passend aus, sorgt man dafür, dass nur die erwünschten Mikroben im Lebensmittel wachsen können. Darüber hinaus kann man beim Selbermachen entscheiden, wie weit man den Prozess treiben will, von ein paar Tagen zu Monaten oder Jahren. Dabei werden die Aromen immer intensiver. Vor 18 Monaten habe ich Miso aus eigenen Bohnen angesetzt und es wird besser und besser. So kann man geraffelten Kohl mit zwei Prozent Salz kneten und unter Flüssigkeit, also ohne Sauerstoff, zum Sauerkraut werden lassen. Das klappt garantiert und ist sicher! Wer eigentlich kein Sauerkraut mag, sollte das mal nach zehn Tagen probieren, da ist es viel milder und zugänglicher.

 

Meine Tipps:

1. Gemüse immer unter Luftabschluss fermentieren: Dazu so lange mit Salz massieren, bis soviel Saft austritt, der das Gemüse bedeckt. Wer keinen Sauerkrauttopf mit Gewichten hat, kann einen mit Wasser gefüllten Beutel nehmen, um das Gemüse unter der Flüssigkeit zu halten.

2. Shiokoji ist ein japanisches Produkt aus Reis, der mit Aspergillus orizae fermentiert und durch Salz haltbar gemacht wurde. Es ist eine Geschmacksbombe: Damit eingeriebene Gurken- und Rüeblistücke werden in einem Tag zu einem aromatischen Ferment und auch Fleisch lässt sich damit marinieren.

3. Mein Buchtipp: «Fermentation», Matthaes (2021)