Montag, 16.01.2023

Worauf es beim Brauen ankommt

Für das Traditionshaus Blasercafé berät Profi-Barista Giuliano Bartoli (47) Gastronomen und Gastronominnen, wie sie den perfekten Kaffee brauen. Hier verrät er seine Tricks.

Wie hat sich das Interesse am Kaffee in den vergangenen Jahren entwickelt?

Die junge Garde der Gastronomen und Gastronominnen legt oftmals viel Wert auf guten Kaffee, schafft sich eine gute Espressomaschine nach italienischem Vorbild an und investiert in Personalschulungen. In vielen Betrieben ist indes der klassische Café Crème aus der vollautomatischen Maschine verbreitet.

 

Woraus ergeben sich diese verschiedenen Haltungen?

Nun, Café Crème ist in der Schweiz fest verankert. Manche Gäste möchten keinen intensiven Espresso oder feinschaumigen Cappuccino, sondern eine Schweizer «Schale» mit Milch oder eben den Café mit Rähmli. Entsprechend bleiben viele Restaurantbetreibende beim klassischen Angebot. Kaffee ist ein stark ritualisiertes, emotional aufgeladenes Getränk – man will niemanden vergraulen. In den Städten hingegen wird der Kaffee nach dem italienischen Vorbild mehr und mehr geschätzt. Das Kaffeeangebot muss natürlich auf das Restaurant und die Kundschaft abgestimmt sein. Aber: Viele Gastro-Profis messen dem Thema Kaffee zu wenig Gewicht bei. Dabei ist das Potential gross und die Marge attraktiv. Manche Betriebe bestreiten 80 Prozent ihres Umsatzes mit Kaffee!

 

Also ist die Espressomaschine besser als der Vollautomat?

Nicht unbedingt. Wenn die Stammkunden sowieso Café Crème bevorzugen, bleiben Sie bei der Vollautomatischen. Auch in den Skigebieten, wo der Output hoch ist und die Belegschaft saisonal wechselt, ist eine einfach zu bedienende Maschine sinnvoll. Es gibt heute sehr gute Maschinen, die sowohl Café Crème als auch Espresso perfekt auf Knopfdruck brauen. Egal, was Sie wählen: Bei jeder Maschine sind die richtigen Bohnen und die richtige Pflege zentral. Kaffee verändert sich, er ist keine tote Materie. Er reagiert auf die Luft, die Temperatur und Gerüche. Viele Restaurateure füllen den Behälter bis oben auf mit Bohnen. So verliert der Kaffee aber Aroma. Also immer nur so viel auffüllen, wie man am Tag verwertet. Der Bohnenbehälter muss regelmässig gesäubert werden, denn die ätherischen Öle der Bohne haften an den Innenseiten und werden ranzig. Aber auch sonst ist das regelmässige Putzen der Maschine zentral, schliesslich säubern Köche ihre Töpfe auch nach dem Kochen.

 

Und wie hole ich aus meiner Siebträgermaschine das Maximum heraus?

Viele Unternehmer bestellen eine tolle Maschine mit Mahlwerk und denken, damit sei guter Kaffee garantiert. Das ist falsch. Es braucht ein Grundwissen über Extraktion, denn die Kaffeebohne ändert sich mit jedem Tag. Man muss darauf reagieren und die Maschine richtig einstellen können. Kaffee ist immer nur so gut, wie der letzte Mensch in der Wertschöpfungskette. Darum ist eine korrekte Schulung wichtig.

 

Wie wähle ich die richtige Bohne für meine Gäste?

Ich empfehle Bohnen, die eine breite Kundschaft ansprechen. Etwa eine ausgewogene Röstung mit leichter Säure und Schokolade- oder Caramelnoten. Damit kann man nichts falsch machen. Klar kann man auch auf spezielle Sorten setzen, aber da ist es wie beim Wein: Pinot Noir schmeckt nicht jedem. Und eine 100-Prozent-Single-Origin-Arabica-Röstung aus Guatemala mit starker Fruchtsäure mag nicht jeder Gast.

 

Wie serviert man den Kaffee?

Für den perfekten Kaffee – und ich spreche hier vom italienischen Vorbild – sind die Espressotassen dickwandig und die Cappuccinotassen eher klein. Beide speichern die Wärme gut. Sie lagern am besten auf der Maschine, damit sie leicht warm sind. Die Brühtemperatur von Kaffee liegt bei 90 bis 93 Grad. Die perfekte Trinktemperatur hingegen ist 60 Grad. Kaffee ist kein Heissgetränk zum Händewärmen und Magenfüllen, sondern zum sofortigen Trinkgenuss gedacht. Zu Heisses wird auch negativ wahrgenommen – darum servieren Sterneküchen ihr Essen ja auch bei 60 Grad. Es ist die ideale Genusstemperatur. Das gilt auch für Kaffee.

 

«Kaffee ist immer nur so gut wie der letzte Mensch in der Wertschöpfungskette.»

 

KAFFEE MIT TRADITION

Blasercafé ist ein Berner Familienunternehmen mit langer Tradition. Der Betrieb umfasst Röstereien mit Cafés und Bars mit eigenen Kaffeespezialitäten. Blasercafé bietet diverse Kurse für Gastronomen und Privatpersonen auf unterschiedlichen Niveaus an. Giuliano Bartoli arbeitet seit 2014 im Betrieb. Er ist ausgebildeter Barista, Röstmeister, SCA-Trainer und lizensierter Q-Arabica-Grader.

 

Text: Simone Knittel

Foto: Pascal Triponez