Montag, 25.10.2021

Persönlich

Bereits seit 1994 ist der Gibelhof in Goldingen SG, das Anwesen der Familie Brändli, ein Bio-Suisse-Knospen-Betrieb. 2011 wurde Urs Brändli zudem zum Präsidenten von Bio Suisse gewählt. Das Oberhaupt der rund 7500 Knospe-Bauern und -Gärtner über die Bedeutung von Bio in der Gastronomie.

Kann es sich ein Gastronomie-Betrieb heutzutage noch leisten, ganz ohne Bio-Produkte zu arbeiten?

Mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer kauft mehrmals wöchentlich ein Bio-Produkt für zu Hause. Pro Kopf und Jahr sind dies 445 Franken, was uns zu Bio-Weltmeistern macht. Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, dass auch die Gastronomie vermehrt auf Bio setzt, denn das Bedürfnis ist da. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten sind auf Umwelt-Themen sensibilisiert und Bio Suisse spürt eine zunehmende Nachfrage von öffentlichen und privaten Gastronomiebetrieben, die mehr Bio in ihr Angebot aufnehmen möchten.

 

Aber können sich Schweizer Gastronomen Bio-Produkte überhaupt leisten?

Knospe-Produkte sind qualitativ hochwertige und nachhaltig produzierte Lebensmittel. Sie sind es wert, in der Gastronomie eingesetzt zu werden. Um mit Bio-Produkten erfolgreich arbeiten zu können, braucht es allerdings mehr als nur den Blick auf das Preisschild. Saisonale Produkte beispielsweise sind leichter verfügbar und preislich interessant. Teurere Produkte wie Fleisch oder Käse sollten sehr gezielt eingesetzt werden. Das heisst, ein Koch oder eine Köchin muss das Angebot kreativ und flexibel planen. Wiegt eine Portion Fleisch beispielsweise nur 120 statt 160 Gramm, lassen sich die Kosten für ein vielfältiges Bio-Menu bereits reduzieren. Bestehende Menüs 1:1 mit Bio-Produkten zu kochen ist dagegen schwierig.

 

In welchen Bereichen der Gastronomie ist Bio am beliebtesten?

Bio-Kaffee und -Zuckersticks finden Sie mittlerweile in vielen Restaurants. Wer sich regional positionieren möchte, verwendet in der Regel öfter Bio-Produkte, weil diese leicht verfügbar sind, zum Beispiel Bergkäse, Gemüse aus der Region oder Fleisch vom Bio-Bauern nebenan. Bereits heute verwenden viele Gastronominnen und Gastronomen Bio-Produkte, ohne gross darüber zu reden.

 

«Man findet Bio in immer mehr Restaurants»

 

Gibt es in Schweizer Lokalen einen Bio-Trend?

Man findet Bio in immer mehr Restaurants. Leider werden die verwendeten Zutaten auf der Karte nicht oder zu wenig gekennzeichnet. Hier kann Bio Suisse als Branchenverband sicher noch besser unterstützen. Die Verwendung der Knospe in der Gastronomie muss einfach, transparent und ressourcen-schonendsein. In Knospe-Produkten stecken zudem spannende Geschichten, die für die Gastronomie interessant sein können.

 

Wo besteht in der Gastro-Branche am meisten Bio-Nachholbedarf?

Rund eine Million Personen verpflegen sich täglich in Gemeinschaftsgastronomie-Betrieben wie Kantinen, Spitäler oder Altersheimen. Da wird mit knappen Waren-Budgets operiert, die Planung ist langfristig und Betriebe, die im Verbund arbeiten, haben wenig Spielraum, um auf Angebotsschwankungen zu reagieren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die Bio-Anteile hier im einstelligen Prozentbereich bewegen. Wir sehen aber ein grosses Potential für Bio – auch weil die Hebelwirkungen sehr gross sind. Wir bearbeiten dieses Segment sehr aktiv und versuchen, zusammen Lösungen zu entwickeln, die als «best practice» für andere Betriebe dienen können. Tolle Beispiele sind die Stadt Biel, das Kantonsspital Graubünden oder die Handelsschule Delémont, die einen fixen Anteil an Bio-Produkten verlangen.

 

Wie sehen Sie die Zukunft von Bio in der Schweizer Gastronomie?

Die Forderung nach Transparenz und umweltschonenden Produkten nimmt im Detailhandel deutlich zu. Diese Erwartungen werden sich leicht verzögert auch in die Gastronomie übertragen. Gäste wollen bewusst und gesund geniessen, aber nicht auf Kosten anderer. Bio-Lebensmittel sind eine Zutat, die diesem Bedürfnis Rechnung trägt. Wer Bio-Produkte anbietet, übernimmt Verantwortung für eine intakte Natur und Landschaft. Und das ist für alle ein Gewinn. In diesem Sinne bin ich sehr zuversichtlich.

 

Und wie oft kaufen und essen Sie selbst Bio?

Einkaufen und kochen überlasse ich meiner Frau. Sie macht das gerne und sehr gut. Zuhause essen wir, so schätze ich, zu 90 Prozent Bio-Produkte. Gute Produkte und die Kochkünste meiner Frau ergeben einen hohen Genuss, verbunden mit einem guten Gefühl. Auswärts berücksichtige ich möglichst Restaurants, die Bio-Produkte verwenden oder ihr Angebot zumindest regional und saisonal ausrichten. Die Suche nach solchen Betrieben ist immer noch etwas aufwändig, aber sie wird stetig leichter.

 

Urs Brändli

Alter: 58 Jahre

Familie: Seit 1985 verheiratet mit der Neuseeländerin Joanne.

Kinder: Fabienne (1986), Leon (1987; führt seit 2015 den Bio-Betrieb) und Jessica (1988)

Lieblingsgericht: Ghackets mit Hörnli und viel Apfelmus

Hobbys: Lesen (Zeitungen und Aktualitäten), Konzerte und kulturelle Anlässe besuchen

 

Bio Suisse in Zahlen

  • Bio wuchs 2020 um knapp 20 Prozent.
  • 7500 Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein produzieren nach den Richtlinien von Bio Suisse.
  • 445 Schweizer Franken geben Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz pro Kopf und Jahr für Bio-Lebensmittel aus.
  • 16,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz werden biologisch bewirtschaftet.
  • 55 Prozent aller Konsumentinnen und Konsumenten kaufen täglich oder mehrmals pro Woche Bio-Produkte.
  • 10,8 Prozent betrug 2020 der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt in der Schweiz.
  • 3,856 Milliarden Franken beträgt der Umsatz von Bio-Lebensmitteln in der Schweiz.

www.bio-suisse.ch