Donnerstag, 20.07.2017

Alpschwein aus dem L'Étivaz

Im Westen ist der Himmel in helles Blau getunkt, wobei die voralpine Landschaft des Pays d’Enhaut im Südosten von Wolken gesäumt wird. Auf 1400 m ü. M. oberhalb Château-d’Oex angekommen, saugen wir die frische Morgenluft ein, ergötzen uns an der schönen Aussicht und lauschen den Lauten der Schweine. Eilig stapft die Herde von 50 Alpschweinen freudig grunzend zu den Futtertrögen, die sich plätschernd mit Molke füllen. Zusammen mit vitaminreichem Ergänzungsfutter sorgt die milchige Flüssigkeit für eine ausgewogene Ernährung der Alpschweine. Die praktisch fettfreie aber mineralreiche Molke entsteht als Nebenprodukt vom Käsen auf der Alp Paquier Gétaz. Jakob Spring von der Linus Silvestri AG erklärt uns die Philosophie ihres Alpschweine-Programms:

«Jeder Alpbetrieb hält nebst Milchkühen
ebenso viele Schweizer Edelschweine.»

Die Schweine verbringen mindestens 56 Tage im Sömmerungsgebiet, damit die Molke direkt auf der Alp ökologisch sinnvoll verwertet werden kann. Im grosszügig eingezäunten Gelände können sich die Tiere frei bewegen - jedes Schwein geniesst 40 m2 Naturbodenauslauf. Unterschlupf bietet der besonders tierfreundliche Stall, der die Kriterien von IP-Suisse erfüllt. Trotz des kühleren Klimas in den Höhenlagen ist das Suhlen im Schlammbad enorm wichtig, da Schweine nicht schwitzen können.

Die krustige Erde umhüllt ihre helle Haut
und schützt sie vor Sonnenstrahlen.

Obschon die neugierigen Borstentiere fast 18 Stunden am Tag faulenzen, benötigen sie viel Platz, um ihre natürlichen Triebe ausleben zu können. Grasnarben werden innert kürzester Zeit umgegraben. Mit ihrem ausgeprägten Geruchssinn wühlen sie unermüdlich im Erdreich auf der Suche nach Kleinlebewesen und Samen. Sogar grössere Steine stossen sie spielend leicht mit ihrem starken Rüssel zur Seite, um an Käfer zu gelangen. Diese artgerechte Haltung mit viel Bewegung an der frischen Luft sorgt für ein besonders aromatisches Schweinefleisch.

Wahre Liebe für das urchige Alpleben

Damit wir noch einen Blick auf die morgendliche Verkäsung der Alpmilch erhaschen können, machen wir uns auf den Weg zur rund 300 Meter höher gelegenen Alpkäserei. Spektakulär erhebt sich die gewaltige Felswand der Vanil Noir-Gebirgskette hinter der Alpütte Paray Charbon mit Baujahr 1700. Wir klopfen an die verwitterte Holztür, treten ein und tauchen augenblicklich in eine scheinbar vergangene Zeit ein. In der finsteren Hütte schweben milchige Rauchnoten in der feuchtwarmen Luft. Auf dem Küchenboden verglühen die Reste der Tannenhölzer, das Kupferkessi hängt am Galgen. Henry-Daniel und Aimée Raynaud stellen von Mai bis Oktober von den 50 eigenen Milchkühen den Alpkäse L’Etivaz AOP über dem Holzfeuer in reiner Handarbeit her. Jede Älplerfamilie gibt ihr Wissen an die nächste Generation weiter, so dass dieses Handwerk im Pays-d’Enhaut eine jahrhundertelange Tradition geniesst. Das harte Leben auf der Alp ohne jeglichen Komfort nimmt das charmante Sennenpaar voller Sanftmut hin. Als Sohn eines Älplers kennt Henry-Daniel gar nichts anderes als jenes abgeschiedene Leben im Rhythmus der Natur.