Donnerstag, 20.07.2017

Berner Oberländer Alpschweine

Auf der Alp Leissigbärgli sind wir vom eindrücklichen Panorama überwältigt. Der Thunersee glitzert in der Nachmittagssonne in tiefem Türkisblau um die Wette mit dem stahlblauen Himmel und dem prachtvollen Niederhorn, das sich über dem Beatenberg erhebt. Die Sicht erstreckt sich gegen Westen bis zum Chasseral und im Osten bis zum Brienzersee.

Die mit Treicheln und Blumen geschmückte Alphütte liegt auf einem seichten Plateau auf 1414 m ü. M. am Nordhang, umrahmt von den steilen Felswänden des Leissiggrats und dem Morgenberghorn. Das Sennenpaar Martin Schmutz und Brigitte Grau bewirtschaften seit 2004 die im Besitz der Burgergemeinde Krattigen liegende Alp. Sie halten 75 Geissen zur Weidepflege, 5 Milchgeissen und etwa 18 Mutterkühe. Zu den 50 Milchkühen gesellen sich ebenso viele Alpschweine. Der Grund ist die Molke, die bei der Produktion vom Berner Alpkäse AOP entsteht. Zusammen mit Ergänzungsfutter landet die nahezu fettfreie aber mineralreiche Flüssigkeit im Futtertrog der Schweine.

«Die Molke wird auf der Alp ökologisch sinnvoll als Schweinefutter verwertet.»

Im schattigen Waldstück faulenzen einige Schweine im kühlen Tannenwald, andere schlafen im überdachten Aussenbereich des Stalls gemütlich im Stroh. Ein Schwein schnarcht genüsslich vor sich hin. Der Stall erfüllt die Kriterien von IP-Suisse und bietet entsprechend den Richtlinien für Silvestri-Alpschwein freien Zugang ins Gelände. Jedes Schwein geniesst 40 m2 Naturbodenauslauf. Allerdings verschlafen Schweine rund 18 Stunden des Tages. Am frühen Morgen und in den Abendstunden werden die Tiere aktiv. Auf dem Naturboden können die Alpschweine ihre natürlichen Triebe ausleben. Mit ihrem ausgeprägten Geruchsinn wühlen sie unablässig in der Erde - spüren Kleinlebewesen, Samen und Wurzeln auf. Grasnarben werden mit dem starken Rüssel mühelos umgegraben, kleinere und grössere Gesteinsbrocken spielerisch weggestossen. In jedem Schwein steckt eben immer noch eine Wildsau.

Das Suhlen im Schlammbad gehört an sonnigen Tagen genauso zur Freizeitbeschäftigung der neugierigen Tiere, die nicht schwitzen können und aufgrund ihrer hellen Hautfarbe anfällig für Sonnenbrand sind. Die Haltung von Schweizer Edelschweinen in den kühleren Höhenlagen der Sömmerungsgebiete kommt dem Tierwohl zugute und nutzt gleichzeitig das Nebenprodukt vom Käsen.

«Wenig Platz und dünne Luft.»

Der Alltag auf einer Alp ist anstrengend. Die schweisstreibende Arbeit beginnt früh morgens mit dem Melken der Kühe und endet selten vor Einbruch der Dämmerung. Nebst der Betreuung der Tiere wird gemistet, gezäunt, gekäst und gebuttert. Es erfordert ein gut funktionierendes Team mit starkem Willen und grosser Ausdauer. Die zweckmässig eingerichtete Alphütte bietet wenig Platz für Privatsphäre. Einziger Luxus liefert der Tiefkühler, der mit Solarstrom betrieben wird und die Essensvorräte frisch hält. Am Feierabend bereitet sich eine wohltuende Stille über der Bergidylle aus. Die grandiose Aussicht auf die funkelnden Lichter der geschäftigen Stadt Thun entschädigt die Älpler für das ursprüngliche Leben im Rhythmus der Natur.