Montag, 27.06.2022

Der beste Bier-Sommelier über seine Leidenschaft

Giuliano Genoni ist der beste Biersommelier der Schweiz und übt nun für die Weltmeisterschaft im September in München (D). Er ist ein so grosser Fan von gehopften Getränken, dass er Bier sogar für sein Hochzeitsessen gewählt hat – auch zur Hochzeitstorte.

Wie sind Sie der beste Biersommelier der Schweiz geworden?

Ich habe immer gerne Bier getrunken, schon als Junge (im Kanton Tessin damals ab 16 Jahren noch möglich, Anm. d. Red.). Es war ein Sprachaufenthalt in München im Jahr 2010, der mich schliesslich in die Bierkultur einführte. Bei meiner Gastfamilie, die in der Augustiner-Festhalle auf dem Oktoberfest arbeitete, gab es abends eine Auswahl von vier bis fünf Bieren. So wurde mir bewusst, wie viel hinter einem «Bierchen» steckt. 2013 ging ich dann nach Dublin: Wenn ich schon mein Englisch verbessern musste, dann in einer Region, die für Bier bekannt ist! Dort entdeckte ich angelsächsische Biere, die sich von den deutschen unterscheiden, weil sie kohlensäurehaltiger, stärker gehopft und allgemein stärker sind. Und dann war da noch Guinness. Ich war beeindruckt von den Leuten, die Austern assen und Stout tranken! An diesem Punkt sagte ich mir: Ich muss mich tiefer mit der Geschichte des Biers befassen.

 

Bis 2020...

Im Jahr 2020 wollten meine Freundin Stefania und ich heiraten, aber aufgrund der Pandemie mussten wir unseren Hochzeitstermin zweimal verschieben. Wir beschlossen, gemeinsam etwas zu unternehmen und besuchten einen Biersommelier-Kurs von GastroTicino. Wir waren die einzigen Teilnehmenden, die nicht aus der Gastronomie kamen und erzielten die besten Ergebnisse der Schweiz. Danach traten wir, quasi als Witz, zur Schweizer Meisterschaft an. Und dann gewann ich völlig unerwartet.

«Ich finde immer ein Bier, das mich überrascht»

 

Was fasziniert Sie am Bier?

Es sind vor allem die Freundschaft und die Emotionen, die es hervorruft. Ich trinke fast nie alleine: Bier muss geteilt werden. Es sind Emotionen, die ich bei bestimmten Bieren wieder durchlebe. Sie erinnern mich an die Orte, die ich besucht habe, und an Menschen, die ich getroffen habe. Bis heute habe ich so viele Biere probiert, doch ich finde immer eines, das mich überrascht. Das ist es, was mich fasziniert.

 

Was macht ein Biersommelier?

Ich sehe mich als «Bierbotschafter», der vor allem vier Fähigkeiten mitbringt. Zum einen Professionalität, also Wissen über Geschichte, Technik oder Pairings. Zum anderen Sozialkompetenz, sodass ich mich den Bedürfnissen des Gastes oder der Konsumentin entsprechend verhalte. Dann Methodik, denn ich muss wissen, wie man Bier logisch präsentiert. Und schliesslich Ethik, denn ein guter Biersommelier darf andere Getränke nie diskreditieren und sollte immer einen verantwortungsvollen Konsum fördern.

 

Haben Sie schon einmal versucht, Bier zu brauen?

Ja, aber ich überlasse es denen, die es können. Auch weil ich neben meiner Arbeit noch andere Leidenschaften habe: Rohschinken, Grappa, Arbeiten mit Holz, Kochen...

 

Kochen Sie auch mit Bier?

Nicht so oft, ich kombiniere es normalerweise zum Essen. Bier kann bei vielen verschiedenen Gelegenheiten ein guter Weinersatz sein: Käsefondue passt etwa zu einem Amber Ale oder Irish Red Ale, also zu Bieren mit Malz- und Brotnoten. Tripel macht sich zu Gorgonzola/Stout- Risotto oder zu geschmortem Kaninchen ohne Tomaten gut. Klassisch sind aber auch mit Bier marinierte Rippchen oder der Guinness-Eintopf zum St. Patrick’s Day am 17. März, den ich dieses Jahr in meinem Bierkeller für Freunde zubereitet habe.

 

Trinken Sie auch Wein?

Sehr wenig, höchstens vier Flaschen pro Jahr. Denn wenn ich die Wahl habe, nehme ich ein Bier. Aber meine Frau und ich denken darüber nach, einen Weinsommelier-Kurs zu besuchen, weil so viele Leute danach fragen.

 

Welches Bier würden Sie einem Anfänger schenken?

Ich würde einem unerfahrenen, aber neugierigen Freund ein IPA mitbringen, denn wenn man es zum ersten Mal trinkt, ist man beeindruckt: Es ist bitter und hat gleichzeitig ein blumiges, intensives Bouquet. Jenen, die Bitterkeit nicht mögen, würde ich ein belgisches Lambic mit Früchten anbieten, zum Beispiel mit Himbeere.

 

War auch Ihre Hochzeit eine Bierparty?

Es gab zu jedem Gang ein eigenes Bier, aber auch den passenden Wein. Die Hochzeitstorte war jedoch etwas ganz Besonderes, denn es war eine Schwarzwälder Kirschtorte, die Lieblingstorte meiner Frau. Passend dazu tranken wir ein Chocolate Stout, ein dunkles Bier, welches ich übrigens für die Zubereitung von Tiramisù sehr empfehlen kann.

 

GIULIANO GENONI

Alter: 35 Jahre
Beruf: Wirtschaftswissenschaftler, Leiter des Amtes für Sport und Freizeit der Stadt Mendrisio TI
Titel: Bester Biersommelier der Schweiz 2021–2023
Familie: verheiratet mit Stefania
Lieblingsgericht: Schweinshaxe im Ofen
Hobbys: Bier, Kochen, Fussball, Laufen