Montag, 11.03.2024
Kochen im Circus Knie
Nour Eddine Oulouda, was kochen Sie als Mittags-Menü für die Artistinnen und Artisten des Circus Knie?
Es gibt zum Beispiel geräucherten Schweinehals mit Speck, Sauerkraut und Kartoffeln und gegrilltes Poulet mit Risotto. Dazu gibt es vielleicht ein Blumenkohlsüppchen.
Zwei unterschiedliche Menüs also.
Ja, genau, das ist bei uns Alltag. Im Circus Knie arbeiten Menschen aus zehn verschiedenen Ländern. Die Essensvorlieben und religiösen Vorschriften unterscheiden sich von Land zu Land. Darauf nehme ich Rücksicht.
Isst die Familie Knie auch hier?
Natürlich.
Verraten Sie uns das Lieblingsessen der artistischen Direktorin Géraldine Knie?
Sie freut sich immer, wenn es Poulet-Cordon-bleu gibt. Auch Couscous, Calamares und Paella mag sie sehr gerne.
Gibt es ein Gericht, das immer funktioniert?
Wenn ich Schnitzel mit Pommes frites und Gemüse mache, dann ist das immer sofort weg.
Wie viele Mahlzeiten bereiten Sie pro Tag zu?
Früher habe ich dreimal am Tag gekocht. Es gab Zmorge, Zmittag und Znacht. Mittlerweile kümmere ich mich aber nur noch um den Zmittag. Täglich koche ich 120 Portionen. Am Abend arbeite ich am Buffet beim Zirkuszelt und brate dort Bratwürste und Hamburger.
Gibt es beim Zmittag viele Spezialwünsche?
Bei uns essen alle alles. Mit Sänger Bastian Baker hatten wir vorletztes Jahr einen Vegetarier auf der Tournee mit dabei. Das war aber die Ausnahme.
«Die Künstler und Künstlerinnen essen tendenziell leichter.»
Isst ein Artist anders als eine Pferdepflegerin?
Die Künstlerinnen und Künstler essen tendenziell leichter. Sie greifen vermehrt zu Reis, Gemüse und Suppe. Also etwas, das nicht schwer im Magen liegt, wenn sie später trainieren oder auftreten.
Aussergewöhnlich ist auch Ihr Arbeitsplatz: Der mobile Küchenanhänger ist elf Meter lang. Da wird es schnell eng: Wie gross ist Ihre Küchentruppe?
Wir sind zu viert, arbeiten schon seit über 20 Jahren zusammen. Zwei Marokkaner, zwei Polen. Die 30-jährige Küche ist nicht riesig, aber es hat alles, was wir brauchen.
Gibt es da keine Sprachbarrieren?
Hier im Zirkus sprechen wir einen eigenen Dialekt: den sogenannten Zirkusdialekt. Das ist ein Mix aus allen Sprachen, die hier gesprochen werden. Alle, die neu dazukommen, verstehen sich dadurch irgendwie.
Wie sind Sie damals beim Zirkus gelandet?
Ich absolvierte erst eine dreijährige Ausbildung an der Hotelfachschule in Marokko, kam für zwei Jahre in die Schweiz und arbeitete in einem Hotel in Pontresina in Graubünden. Danach war ich zwei Jahre in Saudi-Arabien, bevor ich mit 27 Jahren beim Circus Knie landete. Mein Bruder war damals bereits als Pferdepfleger engagiert und erzählte mir, dass der Zirkus einen Koch für die marokkanischen Artisten und Arbeiter suche.
Ihre Zwillinge und Ihre Frau leben in Zürich Oerlikon. Ist es schwierig, ständig unterwegs zu sein?
Als die Kinder klein waren, reisten sie hie und da auch mit. Aber danach blieb die Familie fest an einem Ort, während ich unterwegs war. Für mich ist es ein absoluter Traum, ständig in Bewegung zu sein. Ich liebe das. Ein eigenes Restaurant hätte ich mir nie vorstellen können. Ich denke, wenn man einmal im Zirkus gearbeitet hat, lässt einen dieses Leben nicht mehr los. Der Zirkus ist immer in meinem Kopf.
Was ist die grösste Herausforderung an Ihrem Beruf als Zirkuskoch?
Früher machte ich mir ständig Sorgen. Was ist, wenn der Strom nicht funktioniert? Was, wenn der Wasseranschluss nicht geht? Heute zerbreche ich mir nicht mehr so oft den Kopf, ich habe mittlerweile viel Routine.
NOUR EDDINE OULOUDA
Der Koch des Circus Knie wurde 1959 in der marokkanischen Hauptstadt Rabat geboren und half seiner Mutter oft beim Kochen. Früh war für ihn klar, dass er Koch werden wollte. 1986 kam er zum Schweizer National-Circus – ein Glücksfall für beide Seiten.
Der Vater von Zwillingen lebt mit seiner Frau in Zürich, wenn er nicht gerade auf Tournee ist.
Text: Fabia Bernet
Foto: Christian Schnur, Keystone