Montag, 10.07.2023

Ideen auf Vorrat

Ehrliche Küche, aber bitte nicht so steif: Linda Hüsser zieht zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Meret Diener die Gäste im Zürcher Restaurant «Goldige Guttere» mit einem Mix aus Altbewährtem und eigenen Ideen in den Bann.

 

Eure Karte ändert sich monatlich, gerade tüftelst Du am nächsten Menü – kannst Du etwas verraten?

Was sich immer auf der Karte findet, ist das hausgemachte Toastbrot, das wir für unser Pop-up «iklämmt» entwickelt hatten. Es ist stets frisch, besonders dick aufgeschnitten und gut getoastet. Dazu gibt es saisonal wechselnde Butter. Das kommt durchgehend gut an. Ein weiterer Fixpunkt auf der Karte ist das Eingemachte. Wir haben den ganzen Keller voll mit Gläsern. Selbstgepflückte Kirschen von Merets Bäumen im Fricktal, Bitterorangen aus der Max-Frisch-Badi in Zürich und vieles mehr. Das Schreiben des Menüs ist eine kreative, aber komplizierte Aufgabe. Vieles entsteht bei mir im Kopf, aber auch im Bauch, und hängt davon ab, was verfügbar ist. Am Ende soll ein Menü entstehen, in dem frische und tiefe Aromen schön ausgeglichen sind. 

«Ich würde unser Essen vor allem als sehr ehrlich bezeichnen.»

 

Riesiges Toastbrot, übergrosse Pastablätter oder das Dessert «What a mess», das schwungvoll vor den Gästen angerichtet wird. Wie wichtig ist das verspielte Element in Eurer Küche?

Wir pflegen eine liebevolle, bodenständige Küche, bei der ein Fun-Element nicht fehlen darf. Wir zünden auch mal ein Gericht vor den Augen der Gäste an, wenn es passt. Ich kreiere gerne etwas, das man so noch nicht gesehen hat. Dann servieren wir das auch mit dem entsprechenden Tamtam. Dennoch muss das Essen absolut top schmecken und die Technik dahinter stimmen. Ich würde unser Essen vor allem als sehr ehrlich bezeichnen.

«Ich kreiere gerne etwas, das man so noch nicht gesehen hat»

 

Auch sonst gibt es bei Euch einiges zu entdecken: Das Menü kann als Postkarte verschickt werden, auf dem Gang kann man sich die Nägel lackieren. Gleichzeitig seid ihr in einer sehr klassischen Beiz zuhause…

Meret und ich haben uns immer überlegt, wie wir unser eigenes Restaurant gestalten würden. Vieles ist auch kurz vor der Eröffnung dank der Hilfe unserer Freunde spontan entstanden. Die «Goldige Guttere» zelebriert einerseits die schönen Seiten eines Restaurant-Besuches, also die Gastfreundschaft, die gute Küche, die Liebe zu den Details. Andererseits nehmen wir uns aber nicht so ernst, es soll nicht alles so steif sein. Wir möchten zeigen, was uns gefällt.

 

Saisonal und regional sind bekannte Schlagworte. Wie sieht das konkret bei Euch im Küchen-Alltag aus?

Wir verbringen viel Zeit damit, unsere Produzenten und Produzentinnen auszuwählen und zu besuchen. Wir kennen fast alle persönlich – von der Käserei in der Alphütte bis zum Weingut in Lavaux. Obwohl wir gerne Sachen neu denken, haben wir grossen Respekt vor allem, was schon da ist. Wir arbeiten mit dem, was vorhanden ist, und möchten sinnvoll mit Ressourcen umgehen. Das bedeutet auch, dass wir mit dem Team gerne mal irgendwo Kräuter oder Früchte pflücken gehen. Ob sich das rechnet? Ich finde schon, vor allem, weil wir dann eine Geschichte haben, die wir selbst erlebt haben und den Gästen erzählen können.

 

Wie könnt Ihr die Life-Work-Balance halten?

In den ersten Monaten im neu eröffneten Restaurant waren unsere Terminkalender extrem voll, aber wir legen ebenfalls Wert auf unsere Freizeit. Das bedeutet, dass wir Arbeit und Verantwortung abgeben müssen. Aber unsere Mitarbeitenden haben sich zu einem tollen Team entwickelt. Aktuell sind sie ohne uns ins Puschlav gereist, um Weinproduzenten kennen zu lernen. Letzte Woche waren sie Löwenzahn pflücken.

 

Verstehen Eure Gäste, wie Euer Konzept funktioniert?

Die Rückmeldungen sind zu 99 Prozent sehr gut. Das eine Prozent versteht oder mag unser Konzept nicht, aber das ist in Ordnung. Man muss sich ein wenig auf uns einlassen. Wir haben diese feste Menükarte, auf der Fleisch die Ausnahme ist. Wer einfach einen Teller Pasta erwartet, wird wohl etwas irritiert sein. Wir bieten dafür ein abendfüllendes Programm: Es gibt nur ein Seating, niemand wird nach zwei Stunden weggeschickt. Sitzenbleiben, sich etwas gönnen, schwatzen und geniessen – die Gäste sollen einen einmaligen Abend haben.

 

LINDA HÜSSER

Alter: 28
Lieblingsessen: Etwas, das mit Liebe gekocht wurde
Hobbys: Badi, Museen und die Natur

 

Das Zürcher Szene-Duo

Knusprige Fritten über die Gasse («Atomic Fritten») und «iklämmt»-Sandwiches aus einem Bar-Fenster gereicht: Nach verschiedenen Pop-up-Konzepten hat das Gastro-Duo Linda Hüsser und Meret Diener (beide 28) an der Sihlfeldstrasse in Zürich ein Zuhause gefunden. «Zur Goldige Guttere» ist seit November 2021 geöffnet und wird voraussichtlich noch bis im September 2024 betrieben – ob oder wie es danach weitergeht, ist noch offen. Wahrscheinlich ist aber, dass das Duo bestehen bleibt – die beiden Gastronominnen haben sich an der Hotelfachschule in Lausanne VD kennen gelernt und gehen seither gemeinsame Wege.

 

Text: Simone Knittel
Foto: Christoph Kaminski