Montag, 15.01.2024

Küchen-Künstler am WEF

Der ETH-Informatiker Remo Gisi (37) und die ETH-Physikerin Sue Tobler (38) bilden das Team von Tastelab. Am WEF sind sie dieses Jahr wieder mit ihren Innovationen dabei, die teilweise von künstlicher Intelligenz (AI) inspiriert sind.

 

Ihr bewirtet bereits das siebte Mal am WEF Gäste. Hat sich seit vergangenem Jahr etwas verändert?

Ja, dieses Mal ist einiges anders: Sowohl unser Auftraggeber als auch die Location sind neu. Wir sind ein ETH-Spin-off und die Abteilung, die das am WEF dieses Jahr macht, heisst AI-Center, Artifical Intelligence Center. Das ist ein Konglomerat von verschiedenen Instituten und Departementen sowie von Firmen, die im gleichen Bereich tätig sind. Es handelt sich also um eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie.

 

«Essen ist hier nur eine notwendige Nebensache»

 

Wie läuft das ab?

Das Tastelab offeriert für die ersten Gäste morgens um 7 Uhr ein Frühstück, ein kulinarisches Angebot den ganzen Tag hindurch und am Abend noch Cocktails. Das kann dann bis Mitternacht gehen. Mit dem neuen Eventpartner konnten wir das Menü erst im Verlauf des Novembers besprechen. Das war eine spannende Diskussion, denn AI-Themen sind nicht so einfach kulinarisch zu interpretieren. Und beim WEF und ähnlichen Events kommt noch die geringe Aufmerksamkeitsspanne der Leute hinzu: Sie wollen mit ihren Kundinnen, Kunden, Partnern und Sponsoren viele Gesprächsinhalte unterbringen – Essen ist hier eine notwendige Nebensache.

 

Was bedeutet das für Sie?

Es ist nicht wie in schönen Restaurants, wo man zwei Stunden Zeit hat. Normalerweise servieren wir zum Essen entsprechendes Hintergrundwissen und Stories. Das kann hier nur sehr minimalistisch geschehen, also kein Vortrag, keine Diashow, sondern etwas, was das Essen selbst mitbringt – Form und Farbe und unsere Art der Präsentation.

 

Das generiert viel Zeitdruck…

Wir sind agiler als viele etablierte Grossfirmen, denn einen sehr grossen Teil der Wertschöpfungskette machen wir inhouse. Wenn Sue eine Idee für ein Menü hat und es eine Menükarte, Geschirr oder Möbel dazu braucht, dann gestalten wir das selbst. Wir bestellen online und sind so viel schneller, als wenn wir mit Aufträgen den traditionellen Prozess durchlaufen würden. Dazu muss man mit geeigneten Mitteln arbeiten: Ein Druck ist sehr kurzfristig machbar – so kann man Sticker über einen online Drucker in zwei Tagen bekommen. Videos produzieren geht länger.

 

«Wir versorgen zwischen 1500 und 2000 Gäste während der fünf WEF-Tage.»

 

Wie viele Gäste versorgt Ihr insgesamt?

Wir schätzen, dass wir zwischen 1500 und 2000 Gäste, während der fünf WEF-Tage versorgen: vom Glas Wasser über die Häppchen bis hin zum vollen Cocktailempfang. Für alles, was im Voraus gemacht werden kann, haben wir eine Produktionsküche in Zürich. Einmal am Tag kommt ein Transport nach Davos mit Kühl- und Gefriermöglichkeiten. In der Location in Davos verfügen wir nur über eine sehr kleine Küche, in der wir die Sachen finalisieren sowie eine Produktionsküche, in der wir täglich Frischprodukte verarbeiten.

 

Wer kommt zu Ihnen?

Was die berühmten Gäste angeht, können wir nicht allzu viele Details nennen: Erstens, weil wir diskret sind – und zweitens, weil wir viele Celebrities und Politiker nicht mit Namen kennen. Unter unseren Gästen waren schon Regierungsmitglieder von kleinen und grossen Staaten – von Liechtenstein bis Kanada – und Firmenchefs vom ETH-Startup bis hin zu SBB, Microsoft und Google. Schlussendlich behandeln wir alle Gäste gleich, entsprechend ist das für uns nicht so zentral.

 

Kann man da noch den Überblick behalten?

Die Organisation spielt eine zentrale Rolle. Wir arbeiten deshalb mit vielen Listen: Was für Material muss eingepackt werden, was ist für den Service wichtig, was muss das Personal wissen und mitbringen? Das gleichen wir immer mit dem Vorjahr ab, denn die Dokumentation ist wichtig für uns zur Verbesserung. Dasselbe gilt für die Qualitätssicherung, damit wir sicher sind, dass wir alles haben, was wir brauchen. Und schlussendlich kann man Risiken auch managen, in dem man Reserven und Kapazitäten einplant – auch was das Personal betrifft. Aber gewisse Risiken muss man einfach akzeptieren. Es gibt täglich Änderungen, das gehört dazu.

 

Und was ist nun das neue AI-Gericht, welches Ihr dieses Jahr erstmals serviert?

Das können wir noch nicht verraten, aber immerhin so viel: Wir haben schon künstliche Intelligenz für unsere Gerichte genutzt. Eines unserer Lieblingsgerichte entstand durch das Flavour Pairing eines Algorithmus. Sue hatte sich das dann angeschaut, ausprobiert und unsere eigene Expertise noch eingebracht. AI-Sachen sind cool als neue Ideen und auch als Gegencheck. Schlussendlich testen wir aber ohnehin alle Gerichte, bevor sie über den Tresen gehen.

 

 

REMO GISI

Alter: 37
Hobbys: Gleitschirmfliegen – möglichst lang, hoch und weit!
Lieblingsgericht: Pilzlasagne und meine eigene Sauerteigpizza

 

 

Text: Petra Mürschel-Evans
Foto: Lukas Lienhard, Njazi Nivokazi, Boris Baldinger