Montag, 06.05.2024

Bergfrische Fische

Zander züchten können nur wenige. Doch ein kleines Team im Wallis weiss, wie es geht – und setzt einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit.

Das Wallis ist bekannt für Raclette, hohe Berge, guten Wein, schönes Wetter und feine Fische. Fische? Ja, richtig gelesen. Im idyllischen Susten, am Talboden, gerade an der Grenze zum Unterwallis gelegen, wachsen jedes Jahr 150 000 Zander heran. Und das in reinem Quellwasser. Dafür hat die Gemeinde extra eine Leitung gezogen – direkt von der Bergquelle zur Fischfarm. «Das Wasser ist für die Qualität des Zanders wahnsinnig wichtig», erklärt Georg O. Herriger, Verwaltungsratspräsident von Swifish und der Fischfarm.

Normalerweise lebt der Raubfisch in eher flachen, trüben Gewässern, wo er seiner Beute auflauert. Da das Fleisch des Zanders den Geruch des Wassers annimmt, hat es oftmals eine leicht modrige Note. Das wollten die Gründer der Zanderfarm unbedingt vermeiden. Deshalb suchte das Team, das ursprünglich aus dem Berner Seeland kommt, nach einem Standort mit möglichst gutem Wasser. Gefunden hat es diesen im Wallis. Was allerdings mehr einem glücklichen Zufall zu verdanken war, denn eine Störfarm – wo man einst Schweizer Kaviar produzierte – wurde gerade versteigert. So konnte Swifish, die Firma hinter dem Walliser Zander, den Betrieb im Jahr 2020 für einen guten Preis kaufen. Im Wissen, dass es noch viel Arbeit geben würde.

DER UNBEKANNTE ZUCHTFISCH

Störe reifen nur langsam heran und brauchen viel Platz. Zander hingegen leben gerne in Gruppen und wachsen relativ schnell. Also musste die ganze Anlage – insbesondere die Wasseraufbereitung – an den Raubfisch angepasst werden. Dabei galt es auch zu berücksichtigen, dass der Zander nachtaktiv ist. Sprich: Er braucht am Tag viel Ruhe und muss in der Nacht gefüttert werden. Dafür holte Herriger Martin Vestergaard an Bord. Der Däne hatte in seinem Heimatland auf einer Zanderfarm in einer leitenden Funktion gearbeitet und brachte das nötige Know-how mit. Wissen, über das nur wenige verfügen. Denn Zander wird bis heute nur selten gezüchtet. «Dabei ist er in der Küche sehr gefragt – er hat ein feines Aroma, festes weisses Fleisch und kaum Gräten», sagt Georg O. Herriger. Von den 130 Tonnen Fisch pro Jahr gehen rund 60 Prozent an die Gastronomie und 40 Prozent in den Grosshandel.

«Spannend ist, dass viele Küchen nicht etwa nur Filets, sondern ganze Fische anfordern. Ein Betrieb macht einen ganzen Alpenzander mit Salzkruste daraus!», schwärmt Herriger. «Viele Chefs aus der ganzen Schweiz – darunter auch Sterneköchinnen und Sterneköche – kommen bei uns zu Besuch und lassen sich inspirieren. Beliebte Gerichte sind auch Carpaccio oder Ceviche, denn aufgrund der geschützten Aufzucht kann man den Zander problemlos roh servieren», erzählt Herriger. Und: «Der Zander inspiriert auch viele Chefs zu neuen Kreationen, quer durch die Schweiz. Das freut uns sehr und spornt uns an, am Ball zu bleiben.»

EINSATZ FÜR NACHHALTIGKEIT

«Wir wussten, dass wir unsere Fischzucht so nachhaltig wie möglich gestalten würden», erzählt Herriger. Dazu gehört für die Produzenten die Aufzucht. Sie wollten keine Eier oder Jungfische aus dem Ausland kaufen, sondern ihren Zandern ein möglichst natürliches Brutverhalten ermöglichen.

Dass sich Zuchtfische natürlich fortpflanzen dürfen, ist keine Selbstverständlichkeit. Meist werden sie künstlich befruchtet. Das heisst, die Weibchen werden hormonell behandelt und die Eier dann aus dem Bauch gestreift, respektive gequetscht. «Das kam für uns nicht infrage», sagt Georg O. Herriger. Seine Geschäftspartner und er entschieden sich dafür, ihren Zandern ein natürliches Paarungsverhalten auf Nestern zu ermöglichen. Dieses ist komplex und ähnelt dem eines Hirschs. Inklusive einer Art Knurren, um mögliche Weibchen anzulocken. Das Männchen bewacht dann die befruchteten Eier. Dies findet in einer eigenen Brutanlage im Kanton Bern statt. Wenn die Jungfische um die zehn Gramm wiegen, werden sie nach Susten gebracht. «Unser Fisch soll zu 100 Prozent aus der Schweiz kommen», so die Betreiber.

Auch die natürlichen Ressourcen nutzen die Fischzüchter so sparsam wie möglich. Trotz eigener Wasserleitung verwenden sie nur einen Bruchteil des Wassers aus der Quelle oberhalb von Susten für die Zanderbecken. 97 Prozent des für die Zucht benötigten Wassers lässt sich dank einem raffinierten Filtersystem innerhalb des Betriebes wieder aufbereiten. Der Rest wird so gereinigt, dass er direkt in die nahegelegene Rhône geleitet werden kann. Zander benötigen zudem eine bestimmte Wassertemperatur. Um diese zu erzeugen, verfügt der Betrieb über eigene Wärmepumpen. Das grosse, flache Dach dieser Anlage ist mit Sonnenkollektoren bestückt, denn im Wallis scheint fast immer die Sonne.

Text: Deborah Lacourrège/Simone Knittel
Foto: Sedrik Nemeth