Montag, 22.09.2025
Bittersüsses aus Westafrika
Die hohe Luftfeuchtigkeit und die gleissende Mittagssonne in Kumasi, der grössten Stadt Ghanas, lassen die Einheimischen an ihren Strassenständen kalt. Ein Gewusel aus Geissen, Strassenhunden und Menschen, die Kochbananen auf improvisierten Grills rösten, prägen den Markt. Ein Blick in einen Hinterhof offenbart das, was Ghana als zweites Gold bezeichnet: Kakaobohnen, die auf einfachen Pritschen trocknen. Ghana ist nach der Elfenbeinküste der zweitgrösste Kakao-Produzent der Welt. Schätzungsweise eine Million Kakaobäuerinnen und -bauern gibt es im westafrikanischen Land. Weitere drei Millionen Menschen sind in Ernte, Verarbeitung oder Transport involviert. Alleine die zu Coop gehörende Schokoladen- und Snackherstellerin Halba – Transgourmet/Prodega Schweiz ist ebenfalls Teil der Coop-Gruppe – verarbeitete letztes Jahr rund 2500 Tonnen Kakaobohnen aus Ghana zu Schoggi-Samichläusen, Branchli oder Schokoladentafeln. «Der Forastero-Kakao ist harmonisch, duftet nach Vanille, Holz und getrockneten Pflaumen», erklärt Réka Szalay, die CEO von Halba, beim Besuch vor Ort. «Weil er so wenig Ecken und Kanten hat, ist er vielseitig einsetzbar. Darum kommt jede zweite Bohne, die wir beziehen, aus Ghana.» Vielerorts wird Kakao allerdings in dicht bepflanzten Monokulturen angebaut. Man erhofft sich dadurch höhere Erträge und ein besseres Einkommen. Doch nach wenigen Jahren wirkt sich der einseitige Anbau negativ auf die Fruchtbarkeit der Böden aus: Die Pflanzen werden anfälliger für Schädlinge und Krankheiten, wodurch die Ernteerträge sinken. Dünger und Pestizide sollen diesen Missstand ausgleichen, was mittel- und langfristig aber nicht den gewünschten Effekt erzielt und schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat.
BEFÄHIGUNG STEHT IM ZENTRUM
Helfen kann dagegen der dynamische Agroforst, eine Anbaumethode, mit der die ursprüngliche Regenwald-Heimat des Kakaos nachgebildet wird: ein Mix aus einjährigen Nutzpflanzen und mehrjährigen Frucht- und Edelholzbäumen. Dabei spenden hochwachsende Pflanzen dem Kakao Schatten, gleich hohe Gewächse geben Nährstoffe ab und das liegen gelassene Laub und die zurückgeschnittenen Äste wirken als natürlicher Dünger. Chemische Hilfsmittel werden dadurch obsolet. Coop und Halba setzen im Rahmen eines Projekts gemeinsam mit Fairtrade Max Havelaar auf diese Anbaumethode und unterstützen die Bäuerinnen und Bauern mit Know-how, Material und einer Fairtrade-Prämie. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Kleinbauern, zur Vermeidung von Abholzung und zur Regenerierung abgeholzter Flächen. «Wenn wir so viel Kakao aus dem Weltsüden beziehen, dann wollen wir es auch richtig machen. Das heisst nachhaltig und ethisch korrekt», erklärt Réka Szalay. «Um das sicherzustellen, ist es wichtig, regelmässig vor Ort zu sein.» Es gelte den Menschen zuzuhören, sie zu befähigen und sie dann selbst umsetzen zu lassen. Dies bestätigt Isaac Asamoah, ein Kakaobauer aus Goaso, einem Nachbarort von Kumasi. Er steht inmitten seiner vielseitig bepflanzten, nach Bananen duftenden Kakaoplantage. Ruhig zeigt er jede einzelne Pflanze, die er gesetzt hat, und erklärt, welchen Nutzen sie für den Kakao und für ihn hat. Plötzlich erscheint seine Frau auf dem Feld. Sie erzählt vom Coiffeursalon, den sie im Dorf führt, und von den vielen weiteren Aufgaben, welche die Frauen in Ghana haben. Von morgens bis abends sei sie beschäftigt und darum froh, dass sie nicht auch noch einkaufen müsse. Yams, Maniok, Mangos, Bananen und Cashews ihres Mannes, die alle zusammen mit dem Kakao auf der gleichen Fläche gedeihen, sind willkommene Ergänzungen auf dem Tisch und entlasten das Budget. Mitten im Dschungel werden die gelben Schoten von den hohen Bäumen geschlagen und die Frucht mit zwei gekonnten Macheten-Schlägen geöffnet, um die weisse, glibbrige Pulpe, in der sich die noch violetten Bohnen befinden, herauszulösen und auf ein Bananenblatt zu legen. Grosse Haufen entstehen, die man mit Blättern sorgfältig zudeckt, damit die Bohnen dort sieben Tage lang fermentieren ihren Geschmack entwickeln können. Dann folgen sieben Tage an der Sonne, bis sie kaum mehr Feuchtigkeit in sich tragen. Danach werden die getrockneten Bohnen in einem Lagerhaus auf Grösse und Qualität untersucht. Die für gut befundenen reisen schliesslich in Jutesäcken im Schiff nach Europa und werden zu Halba-Schoggi verarbeitet.
Text: Rebecca Veiga
Foto: Rebecca Veiga