Montag, 05.01.2026
Der Hüter der edlen Schweizer Hotels
Schon als Kind fand Hans-Ueli Gubser (80) an luxuriösen Hotels Gefallen. Mit seinen Eltern verbrachte er schöne Stunden im «Terrace Palace Hotel» in Engelberg OW. «Mich beeindruckte, dass das Hotel eine eigene Standseilbahn hatte», erinnert sich Gubser. Heute existiert das Hotel in der damaligen Form nicht mehr. Die Bahn wurde abgerissen, stattdessen gibt es einen modernen Lift.
Die Entwicklung steht sinnbildlich dafür, wie es vielen Grand Hotels im Laufe der Jahrzehnte an den Kragen ging. «Die Hochblüte der Grand Hotels war während der Belle Époque bis zum Ersten Weltkrieg (1871 bis 1914, Anm. der Redaktion)», sagt Gubser. Mit dem Untergang der Kaiserreiche und der Aristokratie in Ländern wie Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland brach die wichtigste Gästegruppe weg. «Diese Adelsfamilien kamen für mehrere Wochen und mit grosser Entourage», erklärt Gubser. Ihr Wegfall schmerzte die Hotels. «Noch grössere Probleme bekamen die Hotels später», so Gubser: «Ab den 50er Jahren galten die ehrwürdigen Häuser zunehmend als altmodisch. Ketten wie die Hilton Hotels trafen den Zeitgeist besser.»
STOLZ AUF DEN NAMEN
Wegen seiner Passion gründete Hans-Ueli Gubser vor 40 Jahren die Hotelgruppe «Club Grand Hôtel und Palace». Das Anliegen der Gruppe ist es, das Erbe verschwundener und bestehender Grand und Palace Hotels zu erhalten und eine Sammlung von historischen Dokumenten und Gegenständen zu pflegen. Die Mitgliedschaft ist nicht-kommerziell ausgerichtet. Und nicht zuletzt setzt sich Gubser mit seiner Hotelgruppe dafür ein, dass ehemalige Grand oder Palace Hotels, die ihre Bezeichnung abgelegt haben, diese wieder mit Stolz tragen.
Gut gelungen ist ihm dies beim Grand Hotel Giessbach, das in den 80er-Jahren vor dem Abriss gerettet wurde. Hans-Ueli Gubser war als Aktionär an den Generalversammlungen des Hotels vor Ort und vermeldetet regelmässig und abseits der Traktandenliste: «Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Giessbach wieder Grand Hotel heissen sollte!» Gubser lacht zufrieden bei der Erinnerung – das Hotel trägt heute erneut den Namen Grand Hotel Giessbach. Ein anderes Mal forderte er dasselbe für das Hotel Belvedere in Davos. Die knappe Antwort des damaligen Besitzers: «Nur über meine Leiche.»
NOSTALGIEWELLE HILFT DEN HOTELS
Heute verwaltet Gubser bei sich zuhause vielerlei Unterlagen und Gegenstände aus Jahrzehnten Hotelgeschichte, die er teilweise einer Stiftung vermacht und zur Digitalisierung zur Verfügung stellt (siehe Box). Laut Gubser befinden sich zwischen 50 000 und 100 000 Dokumente in seinem Besitz, von denen erst ein kleiner Teil digitalisiert wurde.
Doch was macht für ihn ein Grand Hotel aus, schliesslich ist der Begriff ja nicht geschützt? «Die luxuriöse Architektur ist ein Merkmal. Viele Grand Hotels haben weitläufige Lobbys und Räume, die von griechischen Tempeln inspiriert sind.» Die Grosszügigkeit ist auch sonst ein wichtiger Punkt. «Das Raumangebot wurde nicht nach der besten Ausnutzung berechnet, weil man damals noch nicht so denken musste», erzählt der Archivar. Auch ein guter Service und die persönliche Betreuung gehören zum Grand-Hotel-Stil. Ebenso wie feine Details wie Porzellangeschirr und Silberbesteck – wobei das natürlich von Hotel zu Hotel variiert. Und die Palace-Hotels? «Die sind nochmals etwas luxuriöser.»
«Heute sind die Grand und Palace Hotels dank der Nostalgiewelle wieder besser besucht», freut sich Hans-Ueli Gubser. Auch er selbst sitzt gerne in den Lobbys der schönen Häuser, trifft sich auf eine Tasse Tee mit gleichgesinnten Hotelfreunden. Er durfte auch im Grand Hotel Locarno vorbeischauen, das nach 20-jährigem Dornröschenschlaf renoviert und 2027 wiedereröffnet werden soll. «Das wird sehr schön.» Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass die einst vergessenen Grand Hotels eine verheissungsvolle Zukunft haben werden.
Swiss Tourism Heritage
Das Projekt «Swiss Tourism Heritage» führte die Stiftung Hotelarchiv Schweiz und den Verein Friends of Swiss Historic Hotels zusammen. Die neue Stiftung heisst «Foundation for Hotel Heritage Switzerland». Die Stiftung möchte das Schweizer Hotelerbe bewahren und zugänglich machen. Ein Kompetenzzentrum soll Wissen sichern, Beratung bieten und Akteure vernetzen.
Text: Simone Knittel
Foto: Kostas Maros