Montag, 08.09.2025
Ein Führungsstil auf Augenhöhe
Sie haben als Culinary Director die Verantwortung für die Kulinarik im Hotel Grand Resort Bad Ragaz. Wie oft stehen Sie noch selbst in der Küche?
Nicht so oft, wie ich es gerne hätte. Aber öfter als vorher in der internationalen Hotellerie. Da hatte ich viel mehr Meetings. Seit ich erneut in der Schweiz arbeite, habe ich wieder direkt mit Mitarbeitenden und Lernenden zu tun, kreiere Menüs und Rezepte. Es ist eine Rückkehr zu meinen Wurzeln. Und das macht grossen Spass.
Was sind denn Ihre Aufgaben ausserhalb der Küche?
Ich bin viel mit Planung, Organisation, Logistik und Revisionen beschäftigt. Wir haben ein grosses Küchenteam mit vielen verschiedenen Konzepten. Zusätzlich stehen wir vor einem grossen Umbau des Erdgeschosses des Grand Hotel Hof Ragaz. Auch da arbeite ich mit dem Projektteam an Planung und Konzipierung. Zudem machen wir Tastings und schauen, ob Rezepte richtig umgesetzt werden.
Und wenn die Umsetzung der Rezepte nicht Ihren Vorstellungen entspricht?
Dann machen wir Schulungen, um sicherzustellen, dass unsere Standards eingehalten werden. Ich schätze und respektiere die Wurzeln und Geschichte des Hotels, aber freue mich, jetzt meine eigenen Ideen einzubringen.
Sie sind früh in Ihrer Karriere in die Welt hinausgezogen, haben auf Verschiedenen Kontinenten gearbeitet. Was hat Sie daran gereizt, die Schweiz zu verlassen?
Ich hatte schon früh Fernweh, bereits während der Lehre. Für mich war einer der grossen Vorteile dieses Berufs genau das: Dass man als Köchin in die grosse weite Welt hinausziehen kann. Verschiedene Kulturen kennenzulernen und international Karriere zu machen, war immer ein Ziel von mir.
Sie waren schon mit 32 Jahren Executive Chef im Luxushotel Park Hyatt in Tokio und leiteten ein Team von 100 vorwiegend japanischen Köchinnen und Köchen. Wie gingen Sie an diese Aufgabe heran?
Ich hatte jugendlichen Elan. Und ich versuchte, mir nicht zu viele Gedanken zu machen. Es half, dass ich bereits zwei Jahre als Küchenchefin dort gearbeitet hatte. Ich kannte das Team, war bereits etabliert. Zudem bemühte ich mich, die Kultur zu verstehen. Die Menschen in Japan sind zum Beispiel etwas reservierter als jene auf Bali oder in Mexiko, wo ich auch gearbeitet habe.
Was haben Sie in dieser Zeit über Führung gelernt?
Was mir stets am meisten geholfen hat, ist ein Führungsstil auf Augenhöhe. Egal ob ich mit dem Tellerwäscher oder dem Hoteldirektor spreche. Das ist mir sehr wichtig. Man muss lernen, echtes Interesse zu zeigen und Zeit in die Mitarbeitenden zu investieren. Dann bekommt man sehr viel zurück. Mir schreiben heute noch Köche aus Bali.
Weibliche Executive Chefs sind in der Luxushotellerie nach wie vor selten. Sehen Sie sich als Vorbild?
Ich mache mir nicht speziell Gedanken darüber, aber hoffe schon, dass ich ein Vorbild für die jüngere Generation bin. Wir haben im Grand Resort Bad Ragaz viele junge Köchinnen mit Ambitionen, auch im Fine Dining. Darauf bin ich stolz. Ich nehme allerdings wahr, dass es Berührungsängste mit diesem Job gibt und junge Köchinnen vielleicht denken, dass dieses und jenes nicht möglich sei, weil man sich vielleicht ab einem gewissen Punkt zwischen Beruf und Familie entscheiden muss. Als Köchin zu arbeiten, ist interessant und abwechslungsreich. Aber es ist kein Nine-to-five-Job. Das ist einfach so.
Was muss man für eine Karriere mitbringen?
Ich glaube, dass Männer und Frauen heutzutage die gleichen Chancen haben. Es geht darum, wie man als Person ist und welche Einstellung man hat. Ich konnte auch deshalb Karriere machen, weil ich immer die Unterstützung meines Mannes hatte. Er ist mit mir an die Stationen im Ausland gereist. Und er versteht, wie dieser Job funktioniert und hat mir den Rücken freigehalten. Ohne ihn hätte ich wohl nicht die gleichen Möglichkeiten gehabt, und ich bin für seine Hilfe sehr dankbar.
«Mein Führungsstil auf Augenhöhe hat mir geholfen.»
Kochen Sie noch zu Hause?
Oh ja, sehr oft sogar. Ich koche gerne mit meiner Tochter, das entspannt mich.
Und was ist das Lieblingsessen der Familie?
Jegliche Variationen von Currys. Das ist unser Comfort Food.
SPITZENKÖCHIN
Nadine Wächter-Moreno (46) absolvierte ihre Kochlehre im Hotel Schweizerhof in Luzern und arbeitete später in Australien, den USA, Japan, Mexiko, Bali und Singapur. Nach 18 Jahren im Ausland kehrte sie Anfang 2024 in die Schweiz zurück und übernahm die Funktion als Culinary Director im Hotel Grand Resort Bad Ragaz SG. Nadine Wächter-Moreno ist verheiratet und hat eine Tochter (12).
Text: Rico Steinemann
Foto: Jürg Waldmeier