Montag, 15.12.2025
Jung, erfolgreich, selbständig
Sie haben eine Ausbildung als Bäckerin/Konditorin/Patissière. Wie kam es dazu?
Backen verlernt man nie. Ausserdem kann man damit seine Dates begeistern (lacht). Ich hatte schon als Kind das Gefühl, dass ich etwas mit Lebensmitteln machen möchte. Insgesamt habe ich elf verschiedene Betriebe besucht, um den Laden zu finden, der am besten zu mir passt.
Und welcher war das?
Die Lehre habe ich in einem Familienbetrieb gemacht. Das Besondere daran war, dass wir dort sehr viele Produkte von Grund auf in Handarbeit herstellten. In unserer separaten Confiserie verarbeiteten wir jährlich rund sieben Tonnen Schokolade, darunter waren etwa Pralinés für andere Betriebe.
Nach der Lehre haben Sie gleich noch eine weitere Ausbildung als Köchin angehängt.
Ich sah meine Zukunft im Bereich der gehobenen Gastronomie, im Fine Dining. Deshalb wollte ich mir das Rüstzeug dafür holen.
Wie ging es danach weiter?
Ich habe unter anderem im Luxushotel Alex in Thalwil gearbeitet. Dort konnte ich zusammen mit dem damaligen Küchenchef Michael Schuler einen Michelin-Stern und 15 Gault-Millau-Punkte erkochen.
Welche Rolle spielt der Geschmack?
Am Schluss ist der Geschmack entscheidend. Es muss alles zusammenfinden und eine Geschichte erzählen. Wenn das passiert, kann ich mit meinen Desserts die Seele eines Menschen berühren – das ist das Poetische.
Sie verwenden in Ihren Kreationen oft untypische Dessertzutaten, beispielsweise Randen. Was tun Sie, damit es zu einem stimmigen Ganzen kommt?
Es ist wie bei den Menschen: Manche Zutaten passen gut zusammen, andere weniger. Die Dosis ist entscheidend – und auch die Konsistenz. Wenn ich sage, ich verwende Rande, dann ist in einem Dessert nicht eine ganze Knolle drin. Ich kann sie trocknen und als Chips servieren, als Pulver wie ein Gewürz einsetzen oder aus dem Saft eine Randenglace herstellen. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt.
Apropos Konsistenz: In Ihren Desserts kommen oft verschiedene Konsistenzen vor. Weshalb?
Ich will den Menschen mit meinen Desserts ein Erlebnis bieten. Als Basis braucht es eine nahbare Komponente wie Schokolade, Vanille oder Früchte. Aber dann kann ich spielen: Ich kombiniere warm mit kalt, knusprig mit weich oder cremig sowie süss mit sauer oder salzig.
Sie legen grossen Wert darauf, die Produzentinnen und Produzenten ihrer Lebensmittel zu kennen. Weshalb?
Diese Menschen sind meine Heldinnen und Helden, denn sie inspirieren mich mit ihren Produkten und Geschichten. Gut kochen ist das eine, aber erst durch das Hintergrundwissen gelingt es mir, ein Lebensmittel richtig wertzuschätzen und bestmöglich einzusetzen. Als Stipendiatin von Andreas Caminadas «Fundaziun Uccelin» verbrachten Sie mehrere Praktika im Ausland, darunter in Peru, Dänemark und Holland. Was haben Sie mitgenommen? Ich habe erfahren, dass man die Vielfalt der Welt am besten durch die Esskultur kennenlernt. Produkte und Traditionen verbinden sich, wenn Menschen gemeinsam an einem Tisch sitzen und essen.
«Mit dem Atelier Lev möchte ich für alle kochen.»
Aktuell jagen Sie weniger den Sternen und Punkten nach ...
Nach einiger Zeit ging es in der Spitzengastronomie nur noch um Ehrgeiz. Ich habe mich immer mehr gefragt: Was sind meine Herausforderungen, wo liegen meine Glücksmomente? Schlussendlich bin ich aus diesem Bereich ausgestiegen, weil ich meine eigenen Träume verwirklichen will, nicht die von anderen. Meine Zeit und meine Desserts möchte ich allen schenken, nicht nur ganz wenigen, die es sich leisten können.
Haben Sie deshalb ein neues Projekt?
Genau. Mein Herzblut stecke ich aktuell in den Aufbau meiner Selbstständigkeit. Mit dem Atelier Lev – das bedeutet Herz auf Hebräisch – möchte ich für alle kochen. Ich fertige auf Bestellung Patisserie an oder gehe als Private Chef zu den Leuten nach Hause und koche dort für sie.
Das klingt nach Kehrtwende. Bereuen Sie Ihre Zeit in der Spitzengastronomie?
Auf keinen Fall! Ich bin stolz auf meinen Weg, denn ich habe Hürden überwunden und mich durchgebissen.
Was würden Sie jungen Menschen raten, die auf dem Weg ins Berufsleben sind?
Routine kann einen Beruf langweilig machen. Deshalb ist es sehr hilfreich, ein Ziel vor Augen zu haben. Es ist wichtig, sich immer wieder zu fragen: Wieso mache ich das, was bringt es mir? Dann kann man es nicht bereuen.
Text: Martina Trottmann
Foto: Florian Spring