Montag, 24.11.2025

Mut zu Neuem

Nichtalkoholische Getränke liegen im Trend. Sommelière Amanda Wassmer-Bulgin erklärt, wie sie an das Kreieren von alkoholfreien Getränkebegleitungen herangeht, was mit wenig Zeit funktioniert und warum selbst die Gläserwahl einen Unterschied machen kann.

Sie kreieren alkoholfreie Getränke, die auf einzelne Gänge abgestimmt werden. Wie gehen Sie vor? 
Unser Geschmackssinn wird von fünf Grundreizen bestimmt: süss, sauer, salzig, bitter und umami. Dazu kommen Textur, Temperatur und Aromatik. Beim Food-Pairing – egal ob mit einem Wein oder einem Getränk ohne Alkohol – geht es darum, eine Balance mit dem Essen, aber auch ein Gegenspiel am Gaumen zu erschaffen. Alkohol übernimmt im klassischen Pairing oft die Rolle des «Trägers». Er verstärkt Aromen, sorgt für «Länge», sprich einen schönen Nachklang, und kreiert Wärme. Ohne Alkohol müssen wir diese Eigenschaften anders erzeugen. 

Wie gelingt dies? 
Indem wir den alkoholfreien Getränken ein wenig Säure hinzufügen. Ich setze gerne auf Shrubs, fermentierte Getränke wie Kombucha oder Zitrusfrüchte. Säure «schneidet» durch Fett und wirkt erfrischend. Bitterstoffe aus Tees und Kräutern verleihen Getränken Struktur und Eleganz. Gewürze können Tiefe schaffen und das Gericht widerspiegeln. Kohlensäure sorgt für Leichtigkeit und eine Reinigung des Gaumens. So entstehen alkoholfreie Getränke, die nicht nur ein Ersatz für Wein sind, sondern echte kulinarische Begleiter – von spritzig-leicht bis komplex und vielschichtig. 

Welches sind passende Pairing-Beispiele? 
Zu fetthaltigen Speisen passen säurehaltige Getränke. Zu einem Gericht mit Rahmsauce ist etwa ein säurebetonter Shrub oder Kombucha ideal. Zu salzig passt süss. So etwa zu Käse eine Kräuterlimonade oder ein Frucht-Shrub. Zu umami, also zu einer intensiven Würze, passt Bitterkeit. So würde ich ein Pilzgericht mit einem Kräuteraufguss oder einem Malzgetränk kombinieren. Was sind Ihre Serviertipps? Sprudelnd, still, warm oder gekühlt – alle diese Eigenschaften eines Getränks verändern das Mundgefühl. Ich serviere die Getränke in der Regel gut gekühlt, ausser warme Tees natürlich. Auch die Glaswahl macht einen Unterschied. Das Servieren in einem Stielglas wirkt elegant, in einem Highball frisch und in einer Schale festlich. Auch ein alkoholfreier Drink darf eine Bühne erhalten – mit Garnitur, einer schönen Farbe und Eiswürfeln. Alkoholfreie Begleitungen verdienen denselben Respekt wie Wein oder Cocktails. 

Auf welche Vorräte setzen Sie? 
Ich hege einen Vorrat an Fruchtessig, Kräutern, Tees, Sirupen, Ölen, Tinkturen, Reduktionen und Eingelegtem, um spontan zu variieren. Und ich habe immer irgendwelche Shrubs im Kühlschrank, denn sie sind wandelbar, schnell gemacht und gekühlt wochenlang haltbar. 

Und wenn man wenig Zeit hat? 
Nicht alles muss hausgemacht sein, denn es gibt hervorragende Getränke zu kaufen, etwa Kombucha oder hochwertige Säfte, die sich gut kombinieren lassen. Beim Einkauf achte ich auf Regionalität, Qualität und Nachhaltigkeit. Wer Wasser mit Fruchtsaft mischt, kann dem Mix mit ein paar Tropfen Essig einen Kick verleihen. Und eine Prise Salz betont die Aromen. Oder Tee kalt servieren und ganz nach Lust verfeinern. 

Ihre Tipps für eigene Experimente? 
Den Mut zur Kreativität haben und die Küche zum Labor machen! Gewürze, Infusionen und ungewöhnliche Zutaten machen alkoholfreie Pairings besonders spannend. Und wie ein Wein-Sommelier darf man das «Terroir» betonen, also lokale Kräuter, Früchte und Tees verwenden. 

«Haben Sie kreativen Mut!» 

Ihre momentanen Lieblingsdrinks? 
Unser Eistee mit einer Tannennadel-Infusion, einer Reduktion von Alpenkräutern und Vanille oder unser Oolong-Tee mit einer Infusion aus geräuchertem Zedernholz. Und das «Lemon Barley»-Wasser, das mich an meine Heimat England erinnert. Das ist eine Infusion aus gerösteter Gran-Alpina-Gerste plus Zitrone und Honig. 

 

AMANDA WASSMER-BULGIN 
Amanda Wassmer-Bulgin leitet seit 2019 die Getränkestrategie der Restaurants «Sven Wassmer Memories» und «Verve by Sven» ihres Mannes Sven Wassmer. Die zwei lernten sich vor über 20 Jahren während ihrer Lehrzeit in Basel kennen. Sie wurde mehrfach als Sommelière des Jahres ausgezeichnet, ist bekannt für innovative alkoholfreie Pairings und setzt sich als Dozentin, etwa bei GastroSuisse, für zeitgemässe Gastlichkeit ein. Sie lebt in Buchs SG und ist Mutter von zwei Kindern. 

 

Text: Kristina A. Köhler 
Foto: Nora Dal Cero