Montag, 13.10.2025
Von wegen brotlose Kunst!
Die Bäcker-Branche hat Nachwuchssorgen. Was macht den Beruf Ihrer Meinung nach trotzdem sexy?
Der Beruf ist immer noch unglaublich vielseitig und kreativ. Du arbeitest mit deinen Händen, spürst den Teig, riechst das frische Brot aus dem Ofen. Das ist ein Gefühl, das dir kein anderer Beruf gibt. Dazu kommt, dass du Menschen glücklich machst – egal ob mit einem knusprigen Brot oder einer feinen Torte. Für mich ist das echte Handwerkskunst mit Herz.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für die Nachwuchsprobleme der Bäcker- und Konditor-Branche?
Die Arbeitszeiten sind sicher ein Thema – früh aufstehen ist nicht jedermanns Sache. Dies ist aber eher ein veraltetes Bild, da zahlreiche Betriebe bereits auf Tagesarbeit umgestellt haben. Dazu kommt, dass viele gar nicht wissen, wie spannend und kreativ dieser Beruf heute ist. Man denkt oft an «nur Brot backen», dabei steckt viel mehr dahinter: Trends, Food-Design, Fermentation, sogar Social Media. Ich glaube, wir müssen das viel besser zeigen und erlebbar machen. Da hat leider die ganze Handwerks-Branche ein Problem.
Vor zehn Jahren starteten Sie Ihren YouTube-Kanal «Einfach Backen». Inzwischen haben Sie fast 2000 Videos hochgeladen, über 350 000 Menschen Abonnentinnen und Abonnenten sowie 510 000 Followerinnen und Follower auf Instagram. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Ich glaube, es ist die Mischung aus Bodenständigkeit und Leidenschaft. Ich zeige das Backen so, wie es wirklich ist: ohne Schnickschnack, sondern wie zuhause. Meine Rezepte funktionieren, sie sind verständlich und jeder kann mitbacken. Dazu kommt meine Liebe zum Handwerk – ich glaube, das spüren die Leute. Besonders gefreut hat mich, dass ich von der Presse sogar schon als «Jamie Oliver des Backens» bezeichnet wurde. Jamie ist für mich ein echtes Vorbild – er macht das Kochen zugänglich, unkompliziert und mit Herz. Genau das möchte ich auch fürs Backen erreichen.
«Ich zeige das Backen so, wie es wirklich ist»
Was brachte Sie damals auf die Idee, den YouTube-Kanal zu starten?
Ganz ehrlich? Es war ein Mix aus Neugier und dem Wunsch, mein Wissen weiterzugeben. Inspiriert haben mich damals Fitness-YouTuber, die ihr Know-how gratis teilten. Mir war klar: Im Fitnessbereich kann ich nichts beitragen, aber beim Backen schon! Ich habe gesehen, wie viele Leute zuhause backen wollen, aber oft an Kleinigkeiten scheitern. YouTube war für mich die perfekte Plattform, um genau diese Tipps und Tricks zu teilen. Klar, es gab schon Kanäle übers Backen, aber ich glaube, ich war einer der Ersten, der als Profi direkt zu Hobbybäckern und Laien sprach – ohne Showküche, einfach authentisch. Und dass das Ganze einmal so gross werden würde, hätte ich mir damals nie träumen lassen.
Warum ist Backen wieder so in?
Backen hat etwas Beruhigendes und Erdendes. In einer schnellen Welt tut es gut, mit den Händen etwas zu erschaffen. Ausserdem gehts um Qualität und Natürlichkeit – viele wollen wissen, was in ihrem Brot drin ist.
Neben YouTube und Instagram haben Sie mit Internetshop, Rezept-Plattform und Kursangeboten ein kleines Imperium aufgebaut. Wohin soll die Reise noch gehen?
Mir gehts nicht darum, ein Imperium aufzubauen, sondern ums Handwerk und die Community. Ich möchte noch mehr Menschen fürs Backen begeistern, egal ob mit Kursen, Büchern oder neuen Formaten. Aber immer so, dass es authentisch bleibt und Spass macht.
Sehen Sie sich weiterhin als Bäcker-Konditor oder doch eher als Geschäftsmann?
Ich bin und bleibe Bäcker-Konditor – das ist meine DNA. Natürlich braucht es heute auch Unternehmergeist, aber am Ende stehe ich immer noch am liebsten am Tisch, fasse Teig an und entwickle neue Rezepte.
Mal ehrlich: Können Sie in Ihrer Freizeit überhaupt noch Backwaren und Konditorei-Produkte essen? (lacht) Ja, aber bewusst. Ich geniesse gutes Brot oder eine feine Torte genauso wie früher. Vielleicht sogar noch mehr, weil ich weiss, wie viel Arbeit und Leidenschaft drinsteckt. Aber klar, jeden Tag alles probieren muss ich nicht mehr – das überlasse ich inzwischen auch mal meinem Team oder meiner Familie.
MARCEL PAA
Alter: 40
Liebste Backware: Sauerteigbrot und Pastel de Nata
Das geht beim Backen gar nicht: Nicht in den Ofen schauen, wenn dein Brot aufgeht! Das ist pure Magie.
Vorbild: Jamie Oliver
Hobbys: Backen, Familie, Golf – und wenn noch Zeit bleibt: ein Bier mit den Jungs
Text: Susanne Stettler
Foto: Franziska Frutiger